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BUDDHISMUS HEUTE
Aus: Buddhismus Heute Nr. 46, (Winter 2009)

Treffen mit dem Hambo Lama in Burjatien

Von Lama Ole Nydahl

Die vielen Millionen Buddhisten, die in den letzten 1000 Jahren während moslemischer Invasionen in Indien und im letzten Jahrhundert von Kommunisten in Zentral- und Ostasien getötet wurden, beweisen eine dem Buddha selbst zugeschriebene Aussage: Der Buddhismus kann, da er gesunder Menschenverstand ist, nur von innen her zerstört werden, und das bedeutet durch innere Spaltungen und Politik. Aus diesem Grund versuchte ich mehrmals, die Führer des monastischen Buddhismus' in Russland zu treffen; im Winter Anfang 2008 hatten wir dann Erfolg.

Auf unserer vierwöchigen Reise mit 200 Freunden, die wir jedes Jahr mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland machen, bei dem Besuch der Zentren zwischen Wladiwostok und St. Petersburg, ermöglichten es unsere Organisatoren David und Tolek: Im Datsang nahe Ulan Ude in Sibirien konnte ich den Hambo Lama, das Oberhaupt der Burjaten und anderer russischer Buddhisten, treffen.

Hier die Worte von Tolek und David vom Sitz des Lamas:
"Tolek und ich hatten den Abt des Datsang aufgesucht, um von ihm die Erlaubnis zu bekommen, dass unsere Gruppe den konservierten Körper des letzten Hambo Lama Itygilov sehen könne, was mir auf unserer letzten Winter-Tour in 2007 versprochen worden war. Statt dessen wurden wir aber direkt zum derzeitigen Hambo Lama geführt. Er empfing uns und prüfte Tolek und mich. Er machte von Anfang an Scherze und provozierte uns, indem er mich zum Beispiel fragte, warum Kagyüs besser seien als Gelugpas. Er fordert uns auf zu definieren, was Buddhismus wirklich sei und sagte, dass bei korrekter Antwort unsere Gruppe den kostbaren Körper sehen könne. Andernfalls müsste sie wieder heimfahren. Der Hambo Lama wusste nicht, dass Lama Ole im Datsang war und war überrascht als er davon erfuhr. Ohne zu zögern, fragte er sofort danach, Lama Ole treffen zu können."

David fand mich während unserer dritten Umrundung der Bauten des Tempels. Ich sagte Mantras dafür, dass ihre Aktivität viele Menschen erreichen möge und dass unser lang gehegter Wunsch für Wachstum und Zusammenarbeit zwischen den russischen Schulen des monastischen und des Laien-Buddhismus starten könne.

Hier meine Erinnerung an das äußerst angenehme Treffen mit dem jetzigen Hambo Lama:
Ich wurde in einen kleinen Raum in einer Holzhütte geführt, in dem rechter Hand drei oder vier burjatische Lamas saßen. Man konnte sofort spüren, wer von ihnen der Hambo Lama war, obwohl er keinerlei Ornamente oder irgendetwas Besonderes trug. Der kraftvolle, energetische Mann nahm uns in einen langen Raum auf der linken Seite mit, wo wir uns an einem schmalen Tisch gegenüber sitzen konnten. Der Raum war schön, hatte viel Licht und an der Vor- und Rückseite gute Fenster. Dann begann er zu sprechen, und sprach tatsächlich mehr als wir. Ich konnte deutlich spüren, dass sich die Burjaten von den Tibetern und Mongolen nicht für voll genommen fühlen. Sie benehmen sich ihnen gegenüber oft belehrend. Ich dachte mir: "Wow, wenn alle den gleichen Buddha und die gleichen Lehren haben, ist so etwas dann nötig?" Dann sprachen wir eine Weile über unsere Sicht zum Buddhismus und zur Welt und ich denke, dass wir uns in den meisten Punkten einig waren, obwohl sein Ansatz eher intellektuell und meiner eher meditativ war. Aber ich möchte sagen, dass ich ihn von Anfang an mochte. Sein Verhalten war dem von Künzig Shamar Rinpoche sehr ähnlich. Er mochte es, immer ein bisschen zu provozieren, um zu sehen, wie man reagiert. Er genoss es aber auch, wenn er selbst herausgefordert wurde. Er mochte Widerspruch, denn er war ein starker Mann. Wir hatten also viel Spaß, aber da er der Gastgeber und ich der Gast war, verhielt ich mich natürlich sehr höflich. Ich mochte ihn wirklich und genoss auch seinen starken Schnupftabak.

Wir besprachen einige Themen, teilten Geschichten über verschiedene wichtige Lamas, insbesondere den sehr berühmten vorherigen Hambo Lama Itygilov, zu dessen Ehren der Datsang erbaut wurde. Er war derjenige, dessen mumifizierter Körper vor Kurzem in einem Erdloch sitzend und nach 70 Jahren völlig intakt aufgefunden wurde.1 Das war ein erstaunliches Ereignis, aber man hatte damals beschlossen, den Körper erst einmal wieder zu verstecken, denn die Kommunisten hätten ihn immer noch zerstören können. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, wie ein Körper so lange bewahrt bleiben könne. Wir waren sehr beeindruckt, konnten uns aber eigentlich nicht vorstellen, dass er uns den Körper würde sehen lassen. Aber offensichtlich prüfte er uns, um herauszufinden, ob wir Hingabe und eine Vorstellung von den Vorgängen hätten.

Ich erzählte ihm von anderen besonderen Fällen, die ich in unserer Linie beobachtet hatte und er sagte, dass dieser Hambo Lama fünf Wiedergeburten in Indien, fünf in Tibet und zwei in Burjatien gehabt habe. Diesmal dann habe er dieses erleuchtete Wunder gezeigt, seinen verstorbenen Körper zu bewahren. Es gab dann einen Punkt, den wir nicht völlig verstanden hatten, nämlich die Frage, ob der Geist des Hambo Lama nun sowohl bei seinem Körper als auch überall sei, oder ob er nur bei dem Körper sei. Er gab uns ein Beispiel von Nagarjuna mit der Flamme einer Kerze.
Nachdem durch unseren Austausch Vertrauen entstanden war, gab er uns sein größtes Geschenk. Als ausgebildete Mit-Buddhisten konnten wir den edlen Lama Itygilov besuchen und seinen Segen bekommen. Hambo Lama stand auf und sagte, wir sollen ihm folgen. Ich blieb immer ein Stück hinter ihm, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich anders zu entscheiden, aber er gab uns weiterhin Zeichen, dass wir mitkommen sollten. Er wollte wirklich, dass wir den großen Lama sehen, wir hatten ihn in keiner Weise dazu gedrängt.

Die monastischen Regeln sahen vor, dass nur unsere 100 Männer gehen durften, in Gruppen von jeweils fünf. Er stieg die letzten Stufen empor und forderte uns zum Eintreten auf. Drinnen gab es feine alte Wand-Malereien der wichtigsten Buddha-Formen, auch einige alte Statuen, aber das Wichtigste war die Glas-Vitrine mit einer Figur darin, die wirklich ein besonderes Gefühl vermittelte. Ich meine, als Kagyüs kennen wir uns mit Segen aus, nicht wahr? Darum geht es in unserer Linie. Und hier gab es keinen Zweifel. Als ich vor diese kleine sitzende Figur trat, füllte ein spürbarer Segen den Raum.

Der Lama saß in Meditationsstellung, aber sein Kopf war leicht gebeugt. Lama Itygilov hatte einen runden, typisch mongolischen Kopf mit feinen Zügen. Der Hambo Lama nahm meine Hand, um mich fühlen zu lassen, dass auf dem Kopf des Lamas Haare wuchsen. Es war mir ein bisschen peinlich, als er mir dann auch das Knie zeigen wollte und ich sagte ihm, dass der Segen schon völlig überzeugend sei und ich das nicht bräuchte. Mit einem Lächeln sagte er: "Ich bin Burjate und kann dich deshalb auch betrügen." Ich hielt meinen Kopf an das Kissen, auf dem der mumifizierte Körper saß, und war froh, dass wir hätten hingehen können. Dann kamen unsere Freunde herein und der Hambo Lama gab jedem einen blauen Seidenschal, in den er zuvor einen Knoten gemacht und diesen an die fünf Energiezentren seines Lehrers gehalten hatte. Wieder draußen angekommen, verabschiedeten wir uns herzlich und ich versprach, ihn zu unterstützen und meinen guten Eindruck vom burjatischen Buddhismus überall zu verbreiten, wo es möglich ist. Meine letzten Worte waren, dass wir nun Freunde seien, dass wir unbedingt, wo immer möglich, zusammenarbeiten sollten und dass der Nutzen für einen auch der Nutzen aller sei.

Es war ein sehr angenehmer Besuch bei einem sehr engagierten und aufgeweckten Lama und ein bisschen wie ein Schachspiel: miteinander scherzen und die Ideen des anderen erforschen. Es war sehr nett. Ich denke wirklich, dass wir unsere Burjaten - wenn sie sich von Mongolen und Tibetern nicht für voll genommen fühlen - unterstützen sollten, wie wir es ja bereits durch unsere die Laien-Bevölkerung erweckenden Meditationsgruppen tun. Sie haben eine Übertragung und es gibt dort Segen.

Frage an Lama Ole:
Warum ließen sie den Besuch dieses Mal zu?

Lama Ole: Lamas haben besondere "Kollegen-Vergünstigungen". Wenn man ein besonderes Interesse am eigenen Aktivitätsfeld spürt, zeigt man den Leuten viel mehr, als wenn sie nach exotischen Sachen shoppen wollen. Ich sah es als ein Geschenk eines Lamas an einen anderen Lama. Wenn der Hambo Lama einmal unsere Zentren besucht - was ich hoffe, da er offiziell zur Einsegnung unseres Europa-Zentrums im August 2008 eingeladen ist2 - sollten auch wir ihm unsere heiligsten Dinge zeigen. Er hat alle Trennlinien übersprungen, uns ein paar Mal geprüft, gesehen dass wir Buddhismus kennen und dann war alles gut.

Warum geschah das nicht schon früher?
Lama Ole: Weil wir nicht die Zeit hatten. Als die Mumie vor einigen Jahren herausgeholt wurde, waren wir tatsächlich mit einer Gruppe in Ulan Ude und sprachen mit dem Fotografen, der bei dem Ereignis dabei gewesen war. So hatten wir Informationen aus erster Hand. Aber unser Zug wartete bereits auf uns, und wir hatten am nächsten Tag woanders ein Programm. Außerdem hatten wir auch noch keinen Kontakt, denn die verantwortlichen Burjaten waren vielleicht zu beschäftigt mit dem großen Ereignis. Diesmal kamen die richtigen Bedingungen zusammen und das ist eine Freude.

Euer Lama Ole

1 Siehe Buddhismus Heute Nr. 39 (2005), S. 100
2
Anmerkung der Redaktion: Er konnte dann allerdings leider nicht kommen


 

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