Stupa-Einweihung in BenalmádenaVon Holm Ay2.000 Kagyüs aus 38 Ländern - davon 700 aus Deutschland - reisten im Oktober 2003 ins südspanische Benalmádena, um den buddhistischen Event des Jahres zu erleben. Doch die Einweihung der bislang größten Stupa im Westen hätten sie beinahe verpasst ... Ich war ja immer schon kritisch, was angebliche oder zweifelsfrei echte "Wunder" im Buddhismus angeht. Trotzdem - was hatten wir vor Jahren nicht alles von der Einweihung der Kalachakra-Stupa im spanischen Zentrum Karma Gön gehört: kreisende Vogelschwärme, schillernde Regenbögen am klaren Himmel, goldenes Laub, welches, urplötzlich in die Luft gerissen, zum Höhepunkt der Einweihung auf die Teilnehmer niederregnet ... es musste also sein: Die Einweihung der bislang größten Stupa der westlichen Welt, mitten in der Touristenmetropole Benalmádena an der spanischen Costa del Sol. Keine 30 Kilometer westlich von Karma Gön. Montag, 29. September 2003: Im gemieteten Fiat-Kastenwagen rolle ich mit meinen Hamburger Freunden vom Flughafen Malaga der Sonne entgegen - nach Westen zu unserer Ferienwohnung, nur ein paar hundert Meter von der Stupa weg. "Wie sieht denn das hier aus?", geht mir durch den Kopf. Ihre Südküste haben die Spanier radikal verbaut: Wo nicht 60er-Jahre-Hotels den Blick verstellen, stehen monströse Reklametafeln, auf denen die letzten Flecken Erde feilgeboten werden. Dahinter Baugruben, in denen tausende weiterer Ferienwohnungen entstehen. Zehn Minuten fahren wir die andalusischen Hügel hoch, da kommt das erste "Ahh!". Vor uns funkelt die goldene Stupa-Spitze im Abendlicht, dahinter glitzert das blaue Meer, so weit das Auge reicht. Hier oben fühlt man sich plötzlich weit weg von der Betonwüste. Rund um den Stupa hat Architekt Wojtek Kossowski eine großzügige Aussichtsplattform angelegt. Daneben ein Stück Kagyü-Heimat: bunte Campingzelte auf lehmigem Boden - zusammen mit den großen Meditations- und Essenszelten wirkt das wie ein Mini-Kassel, allerdings bei Sonnenschein und 28 Grad ... Mittwoch, 1. Oktober: Lama Ole tritt zum ersten Mal seit seinem Fallschirmabsturz wieder auf die öffentliche Bühne. Eine Welle der Zuneigung brandet dem 62-jährigen entgegen: Standing Ovations für den Lama, der sich trotz nur halb verheiltem Oberschenkelhalsbruch auf Krücken zum Sitz vorarbeitet. Aber sonst sieht er zur allgemeinen Erleichterung so fit aus, als wären die Wochen auf der Intensivstation ewig her. Ein Glück, schließlich gab es erst vor vier Monaten einen bitteren Verlust unter den Kagyü-Lehrern: Der Erbauer des Stupas, Lopön Tsechu Rinpoche, war in Bangkok mit 85 Jahren einem Herzleiden erlegen. An den nächsten Tagen erzählt Lama Ole die Geschichte der Kagyü-Linie, erklären Reiselehrer Meditationen oder beantworten - jeweils zu viert - Fragen aus dem Publikum. Mir fällt auf, wie unverzichtbar Englisch als Kagyü-Sprache geworden ist. Nur in punkto Wetter setzt sich das deutsche Kassel-Karma auch hier durch: Es regnet, erstmals seit neun Monaten. Und wie! Sogar ein kleiner Abflussgraben muss in den Sandboden um das Vortragszelt gebuddelt werden. Die Zeltplatzbewohner haben unser echtes Mitgefühl ... Samstag, 4. Oktober, 10 Uhr früh: In einer Stunde soll die große Einweihungszeremonie beginnen! Die Spannung wischt meine latente Übernächtigung davon. Nur die Umgebung verpasst mir einen leichten Dämpfer: Die Stupa ist mit Zäunen abgeriegelt, denn es wird nicht nur Shamar Rinpoche, sondern auch Polit-Prominenz erwartet. Berittene Polizei steht auf dem Parkplatz, Lautsprecher berieseln die Szenerie mit esoterischem Geklimper. Endlich nehmen die VIPs in einem kleinen Zelt vor dem Stupaeingang Platz - leider für uns im Publikum nicht einsehbar. Dabei ist auf der Stupa-Plattform noch jede Menge Platz. Schließlich bittet Chef-Organisatorin Maggie Vertreter aus allen Zentren hoch - eine Chance auch für mich. Aber auch hier oben werden die Redner vom umstehenden Publikum verdeckt. Es sprechen der bhutanesische Landwirtschaftsminister Sangye Ngedup, Shamar Rinpoche und der örtliche Bürgermeister. Ein Hoch auf das Lebenswerk Lopön Tsechus, auf den Bau, danach die bekannten Wünsche für Frieden, Harmonie und Toleranz. Erst Lama Ole durchbricht mit einer sehr persönlichen Rede die steife Atmosphäre: Man erfährt, wie Hannah und er in alten Hippie-Zeiten Lopön Tsechu, ihren ersten Lama, kennenlernten. Und was der für ein Mensch gewesen war: Sein Interesse an allen Menschen - ungeachtet ihres Hintergrunds, sein Verständnis für westliche Werte und Demokratie. Wir legen eine Schweigesekunde für ihn ein. Dann wird das Rote Band zum Stupaeingang durchtrennt und Lamatänzer aus Lopön Tsechus Kloster wirbeln in farbenprächtigen Kostümen über die Plattform. Um ein Uhr sind die VIPs verschwunden, die Veranstaltung zu Ende. "Was war das denn?", wundere ich mich mit meinen Freunden. "Was ist mit der Einweihung?" Am Abend erzählt uns ein ernüchtert wirkender Lama Ole, dass Shamar Rinpoche und seine Mönche diese schon am Vortag abgeschlossen hatten - ohne dass wir davon erfuhren. Dem Organisationsteam war in der Hektik der letzten Tage diese schmerzliche Panne unterlaufen. "Doch wir sollten allen, die hier mitgeholfen haben, wirklich danken. Wir alle lernen, indem wir unser Bestes geben. Und eins verspreche ich Euch: Dass wir hierher gekommen sind und Lopön Tsechus Wünsche erfüllen, hat unserer ganzen Arbeit einen immensen Segen gegeben. Und der wird nicht mehr enden." Danach erklärt Ole den "inneren Stupa" - unser Wertesystem, welches wir, wenn wir klug sind, auf die zeitlosen Qualitäten unseres Geistes ausrichten. Ein Vortrag, wie ich ihn selten so klar mitbekommen habe. Sonntag, 5. Oktober: Heute heilen manche Wunden. Morgens im Meditationszelt gibt Shamar Rinpoche eine Einweihung auf den Buddha des langen Lebens und findet klare Worte: Es sei an der Zeit, die Reife westlicher Buddhisten auch in Asien anzuerkennen. Danach findet eine Feuerpuja an der Stupa statt: Wir, etwa fünfhundert Westler, halten eine Schnur, die mit der Stupaspitze verbunden ist. Wir wünschen, dass die Stupa lange Zeit allen Menschen Glück und Freiheit bringen möge. Und jetzt erscheinen die ersten Zeichen: Schwarze Vögel tauchen aus dem Nichts auf und kreisen eine Weile umeinander. Ein Regenbogen um die Sonne ist zu sehen. Und abends im Zelt tritt Maggie vor skeptischen Zuhörern auf die Bühne. Sie erzählt, wie sie die wohl engste Vertraute Lopön Tsechus im Westen wurde. Von den vielen Jahren der Zusammenarbeit. Und wie langwierig und schwierig es gewesen war, das Projekt in Benalmádena zu verwirklichen. Am Schluss ist das Publikum gerührt, donnert herzlicher Applaus durchs Zelt. Montag, 6. Oktober: Wir machen noch eine Stippvisite in Karma Guen. Die spanische Presse hat ausführlich über die Einweihung berichtet, in Deutschland erscheinen immerhin ein paar Notizen. Unsere kleine Kagyü-Zeltstadt wird wieder abgebaut. Doch es beginnt ein Besucherstrom, der bis heute nicht abgerissen ist: Neugierige Spanier und Touristen kommen zur Besichtigung. Jeden Tag nehmen sie bis zu ein paar hundert unserer Informationsbroschüren mit. In der Silvesternacht versammeln sich 1.500 Menschen hier. Kein Zweifel: Das Interesse am Buddhismus steigt jetzt auch in Spanien - vor allem rund um den strahlenden Stupa an der Costa del Sol.
Interview mit Margarita Lehnert-Kossowski Margarita Lehnert-Kossowski, 46, lebt in Darmstadt und Spanien und war die wichtigste Organisatorin für den Stupabau. Ihr Mann Wojtek zeichnete als Architekt für die Planung verantwortlich. Maggie wuchs in Polen als Tochter eines Diplomaten auf; ihr Bruder Tomek reiste fast 15 Jahre lang zusammen mit Caty, Hannah und Lama Ole um die Welt. Maggie, was ist eigentlich das Besondere an dem Stupa in Benalmádena? Rinpoche hat ja 17 Stupas zwischen dem russischen Elista und Wuppertal, zwischen dem dänischen Jütland und Europas Südgrenze gebaut. Nur ein Kalachakra-Stupa im griechischen Korinth und ein Labab-Duchen-Stupa in Mexiko stehen noch aus. Die sollen in den nächsten Jahren fertig werden. Es gibt übrigens verschiedene Stupa-Typen. Ihre Formen haben sich über die letzten 2.500 Jahre weiterentwickelt und drücken den Sieg der Erleuchtung über die Unwissenheit, also den Ursprung von Leid, aus. Man spricht ihnen auch eine befriedende und schützende Wirkung zu. In Benalmádena steht ein sogenannter "Erleuchtungs-Stupa". Ich glaube, Rinpoche war dieses Stupaprojekt so wichtig wie kein zweites. In den sieben Jahren Vorbereitungs- und Bauzeit standen wir immer wieder vor großen Schwierigkeiten aller Art. Es schien Wojtek und mir schier unmöglich, den Bau fertig zu bekommen. Aber Rinpoche munterte uns immer wieder auf. So ging es bis zuletzt: Im Januar 2003 war wieder Ebbe in der Kasse. Vier Monate Baustopp, dann kam auf einmal wieder eine große Spende. Warum steht der größte westliche Stupa genau hier? Das geht auf einen lustigen Zufall zurück: Als Rinpoche 1996 in einem Restaurant hier unten an der Küste saß, kam der Bürgermeister vom Nebentisch und meinte "Sie sind doch bestimmt der Dalai Lama!". Rinpoche hat das Missverständnis zwar gleich aufgeklärt, aber trotzdem war der Bürgermeister tief beeindruckt. Was geschieht jetzt mit dem Stupa? HOLM AY |
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