News und HintergründeKARMAPATITEL-AFFÄRE: INDISCHER BUDDHIST VERKLAGT DALAI LAMA DELHI - Ein indischer Buddhist, der als Angehöriger der Karma Kagyü Linie gilt, hat den Dalai Lama wegen dessen Einmischung in die Belange der Karma Kagyü-Tradition verklagt. Lama Shri Naran Singh will erreichen, dass die offizielle Anerkennung Urgyen Trinleys als Halter des Karmapa-Titels aus dem Jahre 1992 durch den Dalai Lama rückgängig gemacht wird. Begründung: Der Dalai Lama gehört der Gelugpa-Linie an und sei nicht befugt, eine Entscheidung über hohe Wiedergeburten einer anderen Tradition zu treffen. Inzwischen befasst sich bereits der Oberste Gerichtshof Indiens mit der Sache. Er schickte Schriftsätze an das Büro des Dalai Lama, den Kagyü-Lama Tai Situ Rinpoche, dessen Karmapa-Kandidat Urgyen Trinley sowie indische Regierungsstellen mit der Aufforderung, Stellung zu nehmen. Auch ein medizinisches Institut in Chandrigarh, in dem Urgyen Trinley nach seiner Ankunft in Indien untersucht worden war, gehörte zu den Adressaten. Dort war im April 2000 laut einem Pressebericht festgestellt worden, dass der offiziell damals 14-jährige etwa zehn Jahre älter sein müsse. Lama Singhs Anwälte vertraten die Ansicht, dass Urgyen Trinley eigentlich chinesischer Staatsbürger sei. Sie verwiesen zudem auf ein Dokument des Ministerialsekretärs von Sikkim aus dem Jahre 1997, in dem davon gesprochen worden war, dass die Volksrepublik China versuche, mittels "ihres" Karmapas Einfluss auf die Bevölkerung Sikkims zu nehmen. China hat in der Vergangenheit Sikkim wiederholt für sich beansprucht und den Beitritt des ehemaligen Fürstentums zu Indien im Jahre 1975 bis heute nicht anerkannt. Der Grenzstreit zwischen Indien und China hatte Anfang der 1960er Jahre zu zwei Kriegen im Himalaja geführt. Inzwischen zeichnet sich eine vorsichtige Annäherung der beiden asiatischen Großmächte ab: Bei einem Staatsbesuch des indischen Premierministers Vajpayee im Juni letzten Jahres wurde gar die Öffnung eines Grenzüberganges zwischen Sikkim und Tibet vereinbart, um den gegenseitigen Handel anzukurbeln. Über 40 Jahre lang waren die Grenzen zwischen Indien und Tibet / China geschlossen. Obwohl Delhi den Anspruch Pekings auf Tibet erneut bekräftigte, hat die chinesische Regierung sich noch immer nicht zu einer Anerkennung Sikkims als Bestandteil der Indischen Union durchringen können. Künzig Shamar Rinpoche, nach dem Karmapa zweithöchster Lama der Linie und verantwortlich für die Auffindung von Gyalwa Karmapa Thaye Dorje, wies Spekulationen zurück, denen zufolge er mit dem Gerichtsverfahren Singhs in Verbindung stünde. Er machte in einer offiziellen Erklärung deutlich, dass das Vorgehen Lama Naran Singhs die Aktion eines Einzelnen sei: "Weder einer meiner Anhänger noch ich haben diesbezüglich irgendeine Verbindung in dieser Hinsicht; niemals konsultierte er mich oder irgendeinen meiner Anhänger - sei es direkt oder indirekt - bezüglich seiner Ideen, Pläne oder Taten." Shamarpa machte darauf aufmerksam, dass Lama Singh - in früheren Jahren Schüler namhafter Kagyü-Lamas wie Tschögyam Trungpa Rinpoche, dem 16. Karmapa, Kalu Rinpoche bzw. Kongtrul Rinpoche - schon länger persönliche Probleme mit dem Dalai Lama gehabt habe. Als er die Karmapa-Kontroverse in den 1990er Jahren dazu nutzte, um die Klage gegen den Dalai Lama einzureichen, habe er, Shamarpa, sofort nach Bekanntwerden einen Brief an die Exilregierung geschickt, in dem er sich ausdrücklich von Lama Singhs Aktivitäten distanzierte. Der Text der Erklärung findet sich auf den Websites www.shamarpa.org bzw. www.karmapa-issue.org. In den vergangenen Jahren wurde wiederholt in KAGYÜ LIFE bzw. BUDDHISMUS HEUTE über die Angelegenheit berichtet. Übrigens: Im Dezember erschien erneut ein mehrteiliger Bericht von Julian Gearing in der "Asia Times", der die Karmapatitel-Affäre sowie den Karma Kagyü Buddhismus im Westen behandelt. www.atimes.com/atimes/China/EL24Ad02.html beziehungsweise www.atimes.com/atimes/China/EL25Ad05.html KAILASH IN NOT! NGARI / KATHMANDU - "Es gibt keine kraftvollere Stelle zum Meditieren, keinen überwältigenderen Ort als diesen. Pilger und Praktizierende, seid willkommen!" So beschrieb einst der große Verwirklicher Milarepa (1052-1135) die Gegend um den Berg Kailash. Der in West-Tibet nahe den Grenzen zu Ladakh und Nepal gelegene Gipfel gilt als Heiligtum: Tibeter nennen ihn "Kang Rinpoche" und sehen ihn als Meru, dem Zentrum des Universums, an; Hindus vermuten auf seiner 6714 m hoch gelegenen Spitze den Sitz des Gottes Shiva. Am Fuße des Berges entspringen gleich vier der größten Flüsse Asiens. Seit Jahrhunderten nehmen Pilger viele Härten auf sich, um seine einzigartige konisch-runde Krone zu bewundern. Mühsal, die sich lohnen soll: Wer an einem Tag den über 50 km langen Ringweg mit einem über 5400 hohen Pass um den Berg bewältigt, reinigt - so wird gesagt - sein ganzes negatives Karma; wer ihn insgesamt 108 mal umrundet, wird erleuchtet. Den Kailash zu besteigen, ist indes verboten. Einzig Milarepa soll einst auf dem Gipfel gesehen worden sein. Doch diesem Idyll droht die Zerstörung. Im Sommer letzten Jahres begannen chinesische Arbeiter mit Vermessungsarbeiten inmitten der einzigartigen Landschaft. Innerhalb von zwei Jahren soll dort eine moderne Autostraße gebaut werden. Westliche Rucksacktouristen berichteten von Holzmarkierungen und roten Verlaufssteinen, die zur Kennzeichnung der späteren Route bereits gesetzt worden sind. Hintergrund dieser Baumaßnahme sind offenbar kommerzielle Interessen: Am nahe gelegenen See Manarasovar - dessen Schönheit der berühmte deutsche Tibetreisende Lama Govinda in Büchern beschrieb - wird nach Gold gegraben. Außerdem hofft die chinesische Regierung den Tourismus in Tibet anzukurbeln. Auch ein Flugplatz soll in Planung sein. 2002 bereisten ca. 850 000 Touristen Tibet; davon laut offiziellen Angaben 720 000 Chinesen - die Tendenz des "Binnentourismus" ist stark steigend. Besonders in den wohlhabenderen Schichten Pekings und Shanghais sind Tibet-Reisen gefragt. Auf der Website www.kailash.info kann man eine Petition gegen die drohende Landschaftsschädigung online unterschreiben. Die Initiative "Freunde des Berges Kailash" möchte erreichen, dass die Region des heiligen Berges als einzigartiges Naturdenkmal auf die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO gesetzt wird. THIMPU - 138 Jahre lang hatte es keine kriegerischen Handlungen im friedlichen Bhutan gegeben. Doch Mitte Dezember letzten Jahres sah sich die bhutanesische Regierung dazu veranlasst, die ca. 6000 Mann starke Armee des Landes zu mobilisieren. Der Grund: 30 befestigte Rebellencamps im Süden des paradiesischen Himalajalandes. Sie waren von drei Separatistengruppen, die für eine Unabhängigkeit Assams bzw. West Bengalens streiten und vor der indischen Armee über die Grenze ausgewichen waren, innerhalb der letzten 12 Jahre dort errichtet und ausgebaut worden. Bhutan, das mit Indien politisch befreundet ist und auch seine Außenpolitik meist eng mit dem großen Nachbarn abstimmt, duldete zunächst diese Camps auf dem eigenen Territorium und verhandelte immer wieder mit diesen Gruppen, in der Hoffnung, sie würden sich wieder nach Indien zurückziehen. Unterdessen drängte die indische Regierung wiederholt darauf, dass die Rebellen ausgeliefert würden. Schließlich bot Bhutan in einem letzten Ultimatum den freien Abzug über die Grenze an, was die Rebellenführer aber ablehnten. Schließlich wurden die Dschungelcamps von der bhutanesischen Armee angegriffen und innerhalb von zweieinhalb Wochen beseitigt. Bei den Kämpfen kamen weit über 100 Rebellen ums Leben, die bhutanesische Seite hatte mehrere Dutzende Todesopfer zu beklagen. Der Premierminister Bhutans, Lyonpo Jigmi Thinley, sprach von einer äußerst bedauerlichen Entwicklung. Da aber die Souveränität des Landes, die wirtschaftliche Entwicklung und die Sicherheit der Bevölkerung in der südlichen Region bedroht gewesen seien, habe man keine Alternative zu diesem schmerzhaften Schritt gesehen. Man habe dabei alles erdenkliche versucht, um Frauen, Kinder und Zivilisten zu verschonen.
OST-TIBET: KHENPO JIGME PÜNTSOG GESTORBEN SERTHAR / CHENGDU - Einer der gelehrtesten und charismatischsten Lamas im chinesisch besetzten Tibet ist tot. Khenpo Jigme Püntsog, Leiter der buddhistischen Akademie Larung Gar in Ost-Tibet, starb Anfang Januar nach längerer Krankheit im Alter von 70 Jahren in einem Krankenhaus im chinesischen Chengdu. Er hatte auf Bitten des früheren Panchen Lama zeitweise am Institut für Tibetischen Buddhismus in Peking gelehrt und war auch durch Reisen nach Indien sowie das westliche Ausland bekannt geworden. 1933 geboren und früh als Inkarnation eines Meditationsmeisters der Nyingma-Linie erkannt, studierte er während seiner Jugend in verschiedenen Klöstern. Nach der Besetzung Tibets durch die Volksrepublik China und der blutigen Niederschlagung des Aufstands von 1959 lebte er 20 Jahre lang versteckt als Ziegenhirte in Wäldern Ost-Tibets. In dieser Zeit meditierte er viel, schrieb philosophische Kommentare und unterrichtete heimlich Schüler. 1980 ließ er sich, angeblich einer Prophezeiung zufolge, im Larung Gar Tal nahe dem Ort Serthar nieder und errichtete eine bescheidene Meditationsklause. Binnen weniger Jahre erwuchs daraus auf wundersame Weise eine große buddhistische Akademie, die Männer und Frauen aus ganz Tibet sowie China anzog und wo alle vier Linien des Tibetischen Buddhismus unterrichtet wurden. Durch geschicktes Verhandeln mit chinesischen Stellen konnte der betont unpolitische Jigme Püntsog erstaunliche Freiheiten für seine Akademie erreichen. Im Jahre 2001 wurde den chinesischen Behörden der Erfolg seiner Lehranstalt unheimlich: Nachdem die Anzahl der Studierenden auf über 7000 gestiegen war, ordneten sie den Abbruch mehrerer hundert Behausungen an, die in Larung Gar errichtet worden waren. Tausende Nonnen, Mönche und Laien wurden unter Zwang ausgewiesen (BUDDHISMUS HEUTE berichtete). Von diesem persönlichen Schock erholte sich Khenpo Jigme Püntsok nicht mehr.
GROßBRITANNIEN: BUDDHISTISCHER MÖNCH FÜR GEFÄNGNISSEELSORGE GEEHRT LONDON - Eine ungewöhnliche Auszeichnung: Ajahn Khemadhammo Mahathera, Gründer und geistiger Direktor der buddhistischen Strafgefangenen-Hilfsorganisation Angulimala, wurde im Sommer letzten Jahres von Königin Elisabeth II. zum "Officer of the Most Excellent Order of the British Empire" ernannt. Dies ist eine der höchsten Auszeichnungen im Vereinigten Königreich. Die britische Monarchin würdigte damit die Verdienste des Theravada-Mönchs als buddhistischer Kaplan in Gefängnissen sowie in der Resozialisierung ehemaliger Häftlinge. Der unter dem Namen Alan Adams geborene Engländer gab im Alter von 27 Jahren seine Schauspielerkarriere auf und ließ sich in Thailand zum Mönch ordinieren. 1977 bat ihn sein Lehrer, Ajahn Chah, nach Großbritannien zurückzukehren und sich um Gefängnisinsassen zu kümmern. Die Organisation Angulimala - benannt nach einem ehemaligen Schwerstverbrecher, der später ein guter Schüler des historischen Buddha wurde - existiert seit 1985 und wird von fast allen buddhistischen Schulen, die in Großbritannien vertreten sind, unterstützt. Informationen zu der Vereinigung im Internet unter www.angulimala.org.uk .
BUDDHISTISCHE FRIEDHÖFE EINGEWEIHT WIEN / BERLIN - In den Hauptstädten Österreichs und Deutschlands kann man sich in Zukunft auch buddhistisch beerdigen lassen. Vietnamesische Buddhisten weihten im August letzten Jahres auf dem Berliner Friedhof Ruhleben ein buddhistisches Gräberfeld ein. Es bietet Platz für bis zu 100 Erd- und 600 Urnenbestattungen. Im Zentrum der Anlage wurde eine über 4 Meter hohe Marmorstatue des Bodhisattvas Ksitigarbha (vietnames. Tian Tan) aufgestellt. In seiner Gestaltung noch ambitionierter ist die Ruhestätte, die gerade auf dem Zentralfriedhof Wien angelegt wird. Auf dem nach Hamburg-Ohlsdorf zweitgrößten Friedhof Europas, der bereits verschiedene Abteilungen für Verstorbene anderer Weltreligionen umfasst, soll ein achteckiges Grabfeld von ca. 20 Metern Durchmessern entstehen, in dessen Mitte eine über sechs Meter hohe Stupa stehen wird. Diese soll Stilelemente verschiedener buddhistischer Traditionen beinhalten, aber aus modernen Materialien bestehen. Architekt für diese Anlage ist Dr. Christof Riccabona, der selbst Buddhist ist und auf dem Zentralfriedhof bereits den "Park der Ruhe und der Kraft" schuf. Der öffentlich zugängliche Ort soll zum Meditieren einladen und mit Erklärungstafeln versehen werden. Es ist beabsichtigt, das Gräber- und Urnenfeld mit 100 Grabplätzen bis 2005 fertig zu stellen. Träger dieses Vorhabens ist die ÖBR, staatlich anerkannte Dachorganisation der Buddhistischen Vereinigungen in Österreich.
TEMPEL-INFLATION IN THAILAND BANGKOK - 32000 buddhistische Tempel gibt es in Thailand, doch nun wird es auch aufrichtigen Buddhisten im Lande zu viel. Über 5000 von ihnen sind praktisch nicht in Gebrauch, sagt Suthiwong Tantayaphisalut, Direktor des Nationalen Buddhistischen Instituts. Auch eine Vorschrift, die besagt, dass bei Neubauten ein Mindestabstand von zwei Kilometern zu bereits bestehenden Tempeln eingehalten werden müsse, habe dies nicht verhindern können. Der stellvertretende Premierminister Wissanu Kreangam beklagte in diesem Zusammenhang, dass bei buddhistischen Bauprojekten der letzten Jahre nicht immer Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse vor Ort genommen worden sei. Besonders in armen ländlichen Gegenden gäben arme Leute Geld für neue Pagoden, um karmische Verdienste anzusammeln. Damit fehle aber das Geld für Investitionen zur Hebung des Wohlstandes. Er möchte nun die Bauvorschriften verschärfen und plädiert dafür, dass lieber verwaiste Tempel wieder belebt werden. In Thailand sind über 90 % der 63 Millionen Einwohner Buddhisten. Es gibt schätzungsweise eine halbe Million Mönche und Novizen.
SRI-LANKA: CHRISTLICHE MISSIONIERUNG UNERWÜNSCHT COLOMBO - Sri Lanka wehrt sich gegen übertriebene christliche Missionierungen. Im letzten Jahr scheiterten zwei verschiedene neo-christliche Gruppierungen vor dem Höchsten Gericht des Landes, die eine staatliche Registrierung zum Zwecke ihrer Missionierungstätigkeit erlangen wollten. Das Gericht betonte, dass es zwar ein Grundrecht auf freie Religionsausübung gebe. Die Verbreitung von Religionen oder Weltanschauungen in der Öffentlichkeit dagegen verstoße gegen die Verfassung. Diese schütze auch den Buddhismus in besonderer Weise. In den letzten Jahren waren wiederholt christliche Gruppen insbesondere in den ärmsten Regionen der Inselrepublik aktiv, wo sie mit Geld, Kleidung und Büchern im Tausch für einen Übertritt zum Christentum lockten. Besonders aus zwei Gründen reagiert man in Sri Lanka, dessen Bevölkerung zu ca. 70 % aus buddhistischen Singhalesen besteht, allergisch: Gut 450 Jahre lang wurde die Insel (bzw. weite Teile davon) nacheinander von Portugiesen, Niederländern und Briten beherrscht, die jeweils die Verbreitung des Christentums auf Kosten des Buddhismus vorantrieben. Andererseits spielte die Religion auch beim Bürgerkrieg, der in den letzten beiden Jahrzehnten Regionen Sri Lankas betraf und schätzungsweise 60000 Menschenleben kostete, eine hervorgehobene Rolle. Vertreter der hinduistischen Tamilen hatten einen eigenen Staat im Nordosten der Insel gefordert. Der allgemeine Unmut der Bevölkerungsmehrheit gegen christliche Missionierung entlud sich im Dezember, nachdem plötzlich der sehr populäre Mönch Gangodavila Soma Thera während einer Russland-Reise starb. Soma Thera hatte sich vehement gegen die vom westlichen Ausland finanzierten Missionierungen ausgesprochen und soll dafür von christlichen Fundamentalisten Morddrohungen erhalten haben. Als das Gerücht aufkam, der 55-Jährige sei möglicherweise vergiftet worden, kam es am Rande des Staatsbegräbnisses zu Übergriffen gegen christliche Einrichtungen. Präsidentin Kumaratunga wies die Polizei an, spezielle Einheiten zu bilden, um Kirchen zu schützen: "Wir wollen keinen weiteren religiösen Konflikt in diesem Lande, besonders in einer Zeit, in der wir endlich versuchen, langwierige ethnische Konflikte in den Griff zu bekommen, von denen wir genug haben." Nun ist ein Gesetz gegen "unethische Konversionen" in Arbeit. Buddhistische und hinduistische Vertreter arbeiten bei der Ausformulierung der Vorschrift gut zusammen. Die alteingesessenen Kirchen Sri Lankas distanzierten sich von dem Treiben der neo-christlichen Bewegungen, lehnten ein Anti-Konversions-Gesetz aber ab. Bald könnte es von Seiten buddhistischer Würdenträger so etwas wie sanfte Rache geben: Es existieren Pläne, auf Sri Lanka ein buddhistisches Fernsehprogramm zu gründen.
BUDDHISTEN FORDERN MEHR RELIGIONSFREIHEIT IN VIETNAM HANOI / PARIS - 8.Oktober 2003: Es sieht äußerlich zunächst wie eine Polizeikontrolle aus. Ein Kleinbus wird an einer Straßensperre angehalten und gebeten umzukehren. Der Fahrer fordert, weiterfahren zu dürfen. Die Situation eskaliert. Bald ist das Fahrzeug von mehreren Dutzend Leuten umgeben, die die Insassen bedrohen. Diese wiederum fordern über Mobiltelefon Hilfe an. Wenige Stunden später ist daraus eine Demonstration geworden, die das Land Vietnam erschüttert. Denn zwei der Insassen des Wagens sind die beiden wohl bekanntesten buddhistischen Dissidenten des Landes: Der 86-jährige Thich Huyen Quang, Oberhaupt der "Unified Buddhist Church Vietnam" (UBCV, Vereinte Buddhistische Kirche Vietnam) sowie sein Stellvertreter Thich Quang Do, 75. Die beiden Zen-Meister sind die führenden Köpfe der Vereinigung, die seit 1981 in dem kommunistischen Land verboten ist. Thich Quang Do ist auf dem Weg in seinen Wohnort Ho-Chi-Minh-Stadt (dem früheren Saigon), sein Mentor begleitet ihn, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Zwar erzwingt eine herbeitelefonierte Menschenmenge von ca. 200 Mönchen und 1000 Zivilisten nach über zehn Stunden die Weiterfahrt, doch mehrere hundert Kilometer später ist endgültig Schluss: Der Kleinbus wird erneut von der Staatspolizei gestoppt, die Insassen zum Aussteigen gezwungen und getrennt verhört. Auch die Mobiltelefone werden ihnen weggenommen. Bald darauf sind die Telefonleitungen vieler Klöster und Pagoden in der Zentralprovinz Bin Dinh, wo der Vorfall seinen Ausgang genommen hatte, gekappt. Das Internationale Buddhistische Informationsbüro (IBIB) in Paris berichtet, dass Thich Huyen Quang in das Nguyen Thieu Kloster - von wo aus die Reisegruppe aufgebrochen war - zurückgebracht worden und die Überwachung der buddhistischen Einrichtungen erheblich verstärkt worden sei. Der Vorfall und seine Auswirkungen markieren einen Rückschlag im Verhältnis von Staat und religiösen Vereinigungen. Dabei hatte es noch im Frühjahr 2003 Hoffnung auf eine Entspannung gegeben. Nach über 20 Jahren Hausarrest war Thich Huyen Quang, der älteste politische Häftling des Landes, während einer Krankenhausbehandlung nacheinander von Gesandten der Europäischen Union, dem US-amerikanischen Botschafter und überraschend auch vom Ministerpräsidenten des Landes, Pan Van Khai, besucht worden. Als Thich Huyen Quang bald darauf seine Bewegungsfreiheit zurückbekam, bereitete ihm eine große Menschenmenge im mittelvietnamesischen Hué einen begeisterten Empfang. Wenige Wochen darauf wurde auch sein Stellvertreter Thich Quang Do - er hatte in den 1990er Jahren eine langjährige Gefängnisstrafe als Gewissenshäftling verbüßt - vorzeitig aus dem Hausarrest entlassen. Die beiden Mönche forderten seitdem immer wieder die staatliche Zulassung der UBCV, die nach ihrer Auffassung - im Gegensatz zur staatlich gelenkten "Vietnamese Buddhist Church" (VBC, Vietnamesische Buddhistische Kirche) - die weit überwiegende Anzahl der Buddhisten landesweit repräsentiere. Die UBCV, die Buddhisten verschiedener Richtungen (Theravada, Mahayana, Zen) vertritt, sei die einzig legitime Nachfolgerin der buddhistischen Dachorganisation für ganz Vietnam, die 1951 gegründet worden war. Unglücklicherweise war diese Gründung in politisch turbulenten Zeiten erfolgt: Der Bürgerkrieg, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Rückzug der Japaner entbrannt war, führte 1954 zur Teilung in einen kommunistischen Norden und einen westlich ausgerichteten Staat im Süden. 1965 griffen die USA militärisch ins unruhige Vietnam ein. Als die Amerikaner 1973 nach einem äußerst blutigen Guerilla-Krieg mit mehreren Millionen Toten abzogen, blieb ein weitgehend zerstörtes Land zurück. Nach dem militärischen Sieg des kommunistischen Nordens wurde das Land am Südchinesischen Meer 1976 als "Sozialistische Republik Vietnam" wiedervereinigt. Es folgten politische Unterdrückung und Hungersnöte, die Hunderttausende zur Flucht über das offene Meer veranlassten. Wiederholt verbrannten sich unter Protest buddhistische Mönche in der Öffentlichkeit. Bald nach Gorbatschows Perestroika in der Sowjetunion setzten auch in Vietnam Reformen ein. 1992 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, die trotz Festhalten am kommunistischen Einparteiensystem eine weit reichende wirtschaftliche Liberalisierung brachte. Als es aber im Mai 1993 zu einer Großdemonstration mit über 40 000 Buddhisten kam, ruderte die Führung des Landes zurück: Religiöse Einrichtungen werden seitdem ständig beobachtet und bespitzelt. Gelegentlich werden buddhistische Mönche oder Priester der christlichen Minderheiten inhaftiert, um Exempel zu statuieren. Dem gegenüber steht die wirtschaftliche Öffnungspolitik, die im Jahre 2000 gar zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und Geschäften mit dem ehemaligen Erzfeind USA führte. Eine Aufnahme Vietnams in die Welthandelsorganisation WTO wird angestrebt. Religiöse bzw. ethnische Unruhen sind das, was die kommunistische Partei bei diesem politischen Kurs am meisten fürchtet. Die charismatischen Thich Huyen Quang und Thich Quang Do aber lassen sich davon nicht einschüchtern. In ihrer über internationale Radiosender und ausländische Medien verbreiteten Botschaft zum Vesak-Fest 2003 riefen sie die Vietnamesen dazu auf, beim Streben nach innerer und äußerer Freiheit ihre Angst loszulassen:
„Wie können wir Buddhas Lehre der Befreiung verwirklichen, wenn wir selbst unterdrückt und eingeschüchtert werden? Indem wir Furchtlosigkeit entwickeln, mobilisieren wir alle unsere Ressourcen, um andere zu befreien und ihnen dabei zu helfen, sich mit den Gefahren und Umwälzungen der Gesellschaft auseinander zu setzen. Die Mitmenschen von Angst zu befreien bedeutet die Essenz der absoluten Wahrheit zu erfassen, die den vietnamesischen Buddhismus während der letzten 2000 Jahre tief durchdrungen hat." Die beiden Mönche sind wiederholt für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden. Berichterstatter: Michael den Hoet |
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