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BUDDHISMUS HEUTE
Aus: Buddhismus Heute Nr. 37, ( 2004)

Die Bewusstseinsaktivität während der Karmapa-Meditation

Von Stephan Unger

Kann man mit wissenschaftlichen Methoden zeigen, dass die Karmapa-Meditation das Bewusstsein in besonderer Weise beeinflusst? Die Antwort ist: „Ja!“

In einer Untersuchung wurde Anfang 2003 durch die Messung der elektrischen Hirnaktivität (EEG) und eine Befragung der Versuchspersonen nachgewiesen, dass regelmäßige Praxis dieser Meditation zu besonderer Bewusstseinsaktivität führt.

Wie in Heft 35 („Das Gehirn - Quelle des Bewusstseins?“ von Peter Malinowski) beschrieben wurde, dienen verschiedene Methoden der Hirnforschung wie das EEG dazu, die Aktivitäten des Gehirns in allen möglichen Zuständen sichtbar zu machen und sie so objektiv untersuchen zu können. Da unser Gehirn durch elektrische Impulse arbeitet, fließt bei unterschiedlicher Aktivität, grob gesagt, unterschiedlich viel Strom. Eine besonders hoch frequente Wellenform, bei der die gemessenen Frequenzen um 40 Hertz liegen, wird Gamma-Wellen oder 40Hz-Aktivität genannt. Verschiedene Experimente zeigten, dass diese Wellen zum Beispiel bei starker Konzentration und besonderer Aufmerksamkeit auftauchen, also ein Korrelat für besondere Aktivität des Bewusstseins sind.

Wenn man ein Experiment macht, bei dem man das EEG während der Karmapa-Meditation aufzeichnet, könnte man so vielleicht „sehen“, dass sie einen messbaren Effekt hat.

Die grundlegende Annahme war, dass es bei der Meditation um die Entwicklung konzentrierter Aufmerksamkeit geht, um den Praktizierenden zu befähigen, mühelos und bewusst in dem zu verweilen, was ist, und so letztlich die direkte Erfahrung der Natur des Geistes in jeder Lage zu ermöglichen, wie ja aus den Erklärungen zu dieser Meditation bekannt ist.

Es gab ein gutes Modell aus der transpersonalen Psychologie des Bewusstseinsforschers Ken Wilber, das hervorragend zu der Idee passte. Für eine wissenschaftliche Untersuchung braucht man immer eine gute Theorie als Hintergrund, damit mögliche Ergebnisse auch anerkannt werden. Dieses integrale Bewusstseinsmodell auszuführen würde hier wohl den Rahmen sprengen, ist jedoch sehr spannend und in Büchern Wilbers nachzulesen, etwa in „Das Wahre, Schöne, Gute“ (Fischer-Verlag, 2002). Wilber sagt, dass oft nach vielen Jahren der Meditationspraxis ein durchgängiges, konstantes Bewusstsein auftritt, reines Bewusstsein, jenseits von Dualität, reine Leerheit, die aber nicht nichts ist. Wilber ist unter anderem Schüler von Kalu Rinpoche und hat zu diesen Zuständen selbst EEG-Experimente gemacht.

Um nicht nur eine neurowissenschaftliche Untersuchung des Gehirns zu machen, sondern die Ergebnisse mit dem Erleben der Versuchspersonen vergleichen zu können, wurde noch eine schriftliche Befragung zur Meditationstiefe im Anschluss an die Meditationspraxis durchgeführt. Die eigentliche Untersuchungsgruppe bestand aus seit vielen Jahren praktizierenden Kagyüs aus Zentren des West-Vereins, daneben gab es noch zwei Kontrollgruppen von Nicht-Meditierenden und seit ca. ein bis zwei Jahren Praktizierenden. Es ließen sich tatsächlich deutliche Unterschiede im Auftreten der beschriebenen Gamma-Wellen während der Meditation feststellen.

Die schon lange Praktizierenden zeigten signifikant mehr davon. Die Untersuchung hat also gezeigt, dass die Karmapa-Meditation (bei regelmäßiger Anwendung!) die Hirnaktivität nachweisbar zu beeinflussen imstande ist. Da man sagen kann, dass die Wellenmuster im EEG eine auffällige Bewusstseinsaktivität zeigen und hier eben nicht nur bloße Entspannung oder normales Alltagsbewusstsein aufgezeichnet wurde, deuten die Ergebnisse in Richtung einer Schulung des Bewusstseins, worum es ja beim Großen Siegel geht!

Auch die Befragung nach der Meditation zeigte, dass subjektiv von den „alten Hasen“ tiefere Meditationszustände empfunden wurden als von den anderen untersuchten Gruppen. Man kann demnach sagen, dass man bei langjähriger Praxis auch „merkt“, dass man Erfahrung macht.

Signifikante Zusammenhänge zwischen dem tiefen Empfinden und der objektiven EEG-Aufzeichnung gab es zwar nicht, es haben also nicht eindeutig nachweislich die, die ein intensiveres, tieferes Empfinden hatten, auch vermehrte Gamma-Aktivität gezeigt, aber die Meditationsforschung überhaupt steckt ja noch in den Kinderschuhen. Dass man überhaupt mit wissenschaftlichen Instrumenten westlicher Wissenschaft feststellen kann, dass Diamantwegmethoden Effekte für den Praktizierenden haben, ist schon eine ganze Menge.

Wenn in Zukunft noch mehr Untersuchungen zur Meditationspraxis gemacht werden, kann man bestimmt irgendwann den Materialisten eindeutig beweisen, was Buddha schon vor 2500 Jahren erkannte. Also, dran bleiben!

Die Studie wurde von Stephan Unger als Diplomarbeit für das Studium der Diplom-Psychologie an der Universität Köln durchgeführt. Titel der Arbeit: ”Bewusstseinsaktivität während buddhistischer Meditation”.


Stephan Unger, geb. 1967
Diplom-Psychologe, vorher Schreiner
seit 1985 Schüler von Lama Ole Nydahl

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