Ein Mann namens DordjewGeschichte des Buddhismus in der Mongolei und Russland - Teil 2Erst in diesem Jahrhundert, so wird allgemein unterstellt, ist der Buddhismus auch im Westen bekannt geworden. Dabei wird oft übersehen, daß es in Europa bereits ein Land gibt, welches auf eine längere buddhistische Tradition zurückblicken kann. In Rußland beging man im Jahre 1991 den zweihunderfünfzigsten Jahrestag der offiziellen Einführung des Dharma; zu den entsprechenden Feierlichkeiten reiste unter anderem der derzeitige Dalai Lama an, obwohl der Buddhismus in diesem riesigen Land nur eine religiöse Weltanschauung unter vielen gewesen ist und zumeist auf nur wenige Völkerschaften beschränkt war. Doch es gab spätestens zu Anfang dieses Jahrhunderts auch einige Russen, die sich intensiv mit Buddhismus beschäftigten, Zugriff auf teilweise tiefgehende Mahayana-Belehrungen hatten und praktizierten. Angesichts der Absichten des russischen Parlaments, der Duma, die Rechte von religiösen Organisationen neu zu definieren und teilweise beträchtlich einzuschränken, scheint es angebracht, an die Geschichte des Buddhismus in diesem Lande zu erinnern. Der Kontakt Rußlands mit dem Buddhismus geht auf die Erschließung Sibiriens zurück, die im 16. Jahrhundert begann und das Zarenreich nach und nach mit den Mongolen nahestehenden Völkerschaften in Verbindung brachten: Den Burjaten, Kalmüken und Tuwinern.
Burjatien Ins ostsibirische Burjatien - im Gebiet des Bakal-Sees gelegen - gelangten russische Siedler im 17. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der buddhistische Einfluß unter den Burjaten bereits recht groß gewesen sein. Nachdem im Jahre 1712 nicht weniger als 150 tibetische Lamas der Gelugpa-Linie in Burjatien ankamen und landesweit Belehrungen gaben, geriet hier der Schamanismus weitestgehend in den Hintergrund. Die ersten "Tempel", die am Baikalsee entstanden, waren zunächst in Jurten untergebracht; erst 1741 entstand im Khiligathani-Gebiet mit dem Gusinoje Ozery-Dhatsan (Dhatsan ist das burjatische Wort für Tempel) die erste befestigte Klosteranlage. Im gleichen Jahr wurde auch die Position eines Bandido Khambo Lama geschaffen, einer Art Oberlama für Burjatien. Im Gegensatz zum Dalai Lama allerdings wurde der Bandido Khambo Lama - der Titel ist abgeleitet von "Pandita Khenpo" - durch Wahl bzw. Ernennung bestimmt, nicht durch die Suche nach einer Reinkarnation. 1764 erkannte auch die russische Regierung den Khambo Lama als spirituelles Oberhaupt der burjatischen Buddhisten an. Burjatien war auf friedlichem Wege dem Russischen Reich einverleibt worden; von militärischen Auseinandersetzungen wird nicht berichtet. Zwar gab es Missionierungsversuche durch die russisch-orthodoxe Kirche, doch wurde im Ganzen die kulturelle Identität der Burjaten durchaus respektiert. 1833 bestimmte gar ein russisches Gesetz, daß die Klöster mit einer für die eigene Versorgung mehr als ausreichenden Menge Ackerland auszustatten seien. Die Anzahl der Tempel sowie die ihrer Insassen wuchs schnell: 1846 wurden 34 Dhatsans und über 4500 registrierte Lamas gezählt. Einerseits schien sich die russische Regierung über einen gewissen stabilisierenden Einfluß der Dhatsans auf die burjatische Gesellschaft im Klaren zu sein; andererseits achtete sie auch darauf, keine allzu große Stärkung der lamaistischen Klosterkultur zuzulassen: Die Klöster durften sich, in den Augen der Zaren, zu keiner so großen gesellschaftlichen Macht entwickeln, daß sie die russischen politischen Interessen im nördlichen Zentralasien hätten gefährden können. Vor diesem Hintergrund ist auch das 1853 erlassene "Gesetz über den Lama-Klerus in Ost-Sibirien" zu verstehen. Hierdurch wurde die Anzahl der buddhistischen Klöster begrenzt und eine Art "Lama-Kopfsteuer" eingeführt. Die Menge der Tempel blieb konstant; die Anzahl der Würdenträger aber stieg weiter. Im Jahre 1917 gab es offiziell 37 Dhatsans und ca. 14000 Lamas in Burjatien. Kalmükien Im Steppengebiet nordwestlich des Kaspischen Meeres befindet sich die heutige Kalmükenrepublik. Die dort lebende Stammbevölkerung ist ein Überrest eines Volkes, welches einst in dem Ruf stand, zu den mobilsten Nomaden Asiens zu gehören und dem Unabhängigkeit stets ein besonders wichtiges Gut war. Sie sind ein "Ableger" der Oirat-(West-)Mongolen, zu denen auch die später islamisierten Tataren gehören. Deren Ausbreitung reichte zeitweise vom Amur-Fluß (der heutigen Grenze zwischen Nordost-China und Rußland) bis hinunter zur Donaumündung. Wann und auf welche Weise die Kalmüken Buddhisten wurden, ist nicht genau bekannt. Es gilt als sicher, daß zumindest die Oberschicht dieses Volkes buddhistisch war, noch bevor es sich im unteren Wolgagebiet niederließ. Welcher Linie oder Richtung sie sich zugehörig fühlten, läßt sich ebenfalls nicht eindeutig sagen. In einem Vertrag zwischen den Wolga-Kalmüken und den Mongolen aus dem Jahre 1640 wurde zwar die Bindung zum Buddhismus der Gelugpa-Linie bekräftigt. Doch große praktische Bedeutung hatte dieses Abkommen offenbar nicht. Die Einverleibung Kalmükiens in das Zarenreich verlief schrittweise. Nach dem Tode ihres mächtigen Herrschers Khan Ayuka im Jahre 1724 nahm die russische Macht in den darauffolgenden Jahrzehnten stark zu. Als schließlich Zarin Katharina das Kalmüken-Khanat auflöste, faßten die Oberhäupter der Kalmüken-Klans den Beschluß, die in den russischen Machtbereich geratene Gegend zu verlassen und nach Osten zu ziehen. Am 5. Januar 1771 (das Datum soll von den Astrologen des damaligen Dalai Lama bestimmt worden sein) brach der Großteil von ihnen zu einem großen Treck, der sich als verlustreich erweisen sollte, in Richtung ihrer Urheimat auf. Etwa 30 000 Kalmüken, die südlich der Wolga wohnten, blieben zurück. Die zaristische Regierung versuchte mit verschiedenen Maßnahmen, diese in das Russische Reich zu integrieren, unter anderem durch Zuwanderung von russischer Bevölkerung. Trotz der schwierigen Bedingungen nahm die kalmükische Bevölkerung in der Wolgasteppe wieder schnell zu. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Menge der Dhatsans in Kalmükien die Zahl von 200 erreicht hatte, griffen die russischen Behörden ein und erließen Verordnungen zwecks Reduzierung der Tempel - offenbar fürchtete die zaristische Regierung um den Erfolg der Russifizierungspolitik in diesem strategisch nicht unwichtigen Gebiet. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Anzahl der Dhatsans auf etwa 65 zurück. Tuwa Nachdem Rußland und China gegen Ende des 17. Jahrhunderts das nördliche Zentralasien durch Verträge in Interessenssphären aufgeteilt hatten, blieb ein weißer Fleck auf der Landkarte übrig: Uriangchai, ein von einem türkischen Volk bewohntes und von zwei Gebirgskämmen eingeschlossenes Gebiet am Nordrand des Tannugebirges, zwischen der Mongolei und Sibirien gelegen. Nach dem Vertrag von Kiachta im Jahre 1727 hätte dieses Land - welches später die Bezeichnung Tuwa bzw. Tannu-Tuwa erhielt - eigentlich zum chinesischen Machtbereich gehört. China jedoch hatte keine Eile, diese Beute an sich zu reißen, zumal es für die chinesischen Kaiser bereits schwer genug war, eine gewisse Kontrolle über die Mongolei zu erlangen (und zu behaupten). Als sich schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die erste chinesische Kolonie dort niederließ, hatten sich bereits eine nicht unbedeutende Anzahl russischer Händler in Uriangchai/Tuwa etabliert. Es gehörte zur russischen Kolonialpolitik, die eigene Bevölkerung zur Ansiedlung in Tuwa zu ermutigen. Ein Kriegsminister hatte betont, daß eine Eingliederung dieses Gebietes die Grenze zum chinesischen Machtbereich verkürzen und somit Rußland sicherer machen würde. Zudem war die tuwinische Bergregion von Rußland aus etwas einfacher zu erreichen. Bereits im 16. Jahrhundert hatte es das erste Kloster in Tuwa gegeben, dessen erster Abt ein Tibeter gewesen sein soll. Da nur sehr wenig aus der tuwinischen Geschichte schriftlich überliefert ist, läßt sich der Verlauf des Vordringens des Dharma in dieses Land nur lückenhaft rekonstruieren. Zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es 22 buddhistische Tempel in Tannu-Tuwa. Neben dem Buddhismus hatte auch der Schamanismus hier stets viele Anhänger. Agvan Dordjew und die Verbindung St. Petersburg - Lhasa In den 1890er Jahren änderte sich die russische Kolonialpolitik gegenüber den buddhistischen Völkern in ihrem Riesenreich. Die Berater des Zaren merkten, daß der Buddhismus den russischen politischen Interessen nicht nur nicht schadete, sondern innen- wie außenpolitisch von Nutzen sein konnte. Dahinter steckte durchaus Kalkül: Rußland war an engen politischen Beziehungen zu Tibet interessiert. China war zu dieser Zeit innerlich schwach; mehrere europäische Kolonialmächte hatten Teile der chinesischen Küsten und das dazugehörige Hinterland erobert. Rußland besetzte für einige Jahre die Mandschurei und gewann in der Mongolei sowie in Sinkiang - Gebiete, die gemäß alter Abmachungen eigentlich im chinesischen Interessengebiet lagen - erheblich an Einfluß, vor allem durch Handel. Mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn (1890 bis 1904) rückte Ostasien näher an Rußland heran. Indien (inklusive dem heutigen Pakistan) war damals Bestandteil des britischen Kolonialreiches; Großbritannien schickte sich an, seinen Einfluß auf Afghanistan und weitere Teile Zentralasiens auszudehnen. Mit einem befreundeten Tibet als Pufferstaat hoffte Rußland britische Ambitionen in Zentralasien zurückhalten zu können. Schlüsselfigur für die Kontakte zwischen St. Petersburg und Lhasa war Agvan Dordjew (tibet. Ngawang Dordje; 1853-1938), ein burjatischer Lama, der in der Mongolei und Tibet Dharma studiert und am Drepung-Kloster den Titel eines Lharampa Geshe erworben hatte. Aufgrund seiner Gelehrsamkeit wurde er einer der Lehrer des 13. Dalai Lama Thubten Gyamtso (1876-1933), als dieser noch jung war. Dordjew genoß in Tibet - obwohl Ausländer - eine herausragende Stellung. Da in der tibetischen Führung praktisch niemand je andere Länder kennengelernt hatte, wurde er schließlich auch Berater des Dalai Lama in außenpolitischen Fragen, was wiederholt zu Mißtrauen bei tibetischen Ministern führte. Agvan Dordjew galt als starke Persönlichkeit und sprach außerdem mehrere Sprachen fließend. Reisen führten ihn ins europäische Rußland wie auch nach Westeuropa. Viel Beachtung fand etwa sein Auftritt am 27.6.1898 im Museé Guimet in Paris, wo er Belehrungen gab und eine buddhistische Zeremonie abhielt. Im Publikum saß damals übrigens eine Dame, die später als außergewöhnliche Tibet-Expertin bekannt werden sollte: Alexandra David-Néel (1868-1969), die 1911 zum Dach der Welt aufbrach und dort mehre Jahrzehnte verbringen sollte. 1898 traf Dordjew zum ersten Mal mit Zar Nikolai II. zusammen. E. Uchtomskij, ein adliger Beamter im russischen Innenministerium, hatte diese Begegnung vermittelt. Es wird berichtet, daß sich der Zar als "am Buddhismus sehr interessiert" gezeigt haben soll. Die erste Berührung Nikolais mit dem buddhistischen Dharma war dies, nebenbei bemerkt, nicht: Wenige Jahre zuvor hatte er, damals noch Kronprinz, eine längere Reise in Asien unternommen und dabei auch buddhistische Pilgerstellen besucht. Der Orientalist Uchtomskij hatte zu seinen Begleitern gehört. In den darauffolgenden Jahren sollten Dordjew als "Gesandter des Dalai Lama" und der Zar noch einige Male aufeinandertreffen, wobei es meistens um das Thema einer politischen Zusammenarbeit zwischen Tibet und Rußland ging. Zurück in Lhasa, überbrachte Dordjew dem Dalai Lama Geschenke und einen Brief des Zaren. Darin empfahl er Rußland als natürlichen Verbündeten für Tibet, welches mit China und Britisch-Indien zwei recht unberechenbare Nachbarn hätte. Der Dalai Lama zeigte sich diesem Angebot gegenüber recht aufgeschlossen, stieß aber auf Widerstand von Seiten seiner eigenen Regierung, welche die traditionelle Isolationspolitik Tibets nicht aufgeben wollte. Der britische "Vizekönig" (= Gouverneur) in Indien, Lord Curzon, reagierte sehr mißtrauisch auf die sich anbahnenden Beziehungen zwischen Rußland und Tibet. Im Laufe der nächsten Jahre erreichten ihn wilde Gerüchte, die ihn unruhig machten: Über russische Waffenlieferungen und Pläne für den Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Rußland und Lhasa sowie Absichten der zaristischen Regierung, eine Garnison russischer Kosaken auf dem Dach der Welt zu stationieren. Aber auch Streitigkeiten über den Grenzverlauf zwischen Indien (bzw. Sikkim) und Tibet erweckten den Argwohn Lord Curzons. Nachdem mehrere Briefe des Vizekönigs an die tibetische Regierung unbeantwortet geblieben waren, entschied man sich von britischer Seite schließlich für das "letzte Mittel": Im Winter 1903/1904 marschierte eine Armee unter Colonell Younghusband nach Tibet ein und drang bis nach Lhasa vor. Er erzwang einen Vertrag mit der tibetischen Regierung, in der diese sich unter anderem verpflichtete, von jeglicher Kooperation mit Rußland Abstand zu nehmen. Das Zarenreich war zu diesem Zeitpunkt durch einen Krieg mit Japan militärisch gebunden und mußte sich mit einem diplomatischen Protest begnügen. Allerdings kam es bald darauf zu einer außenpolitischen Entspannung zwischen Briten und Russen, die es im Jahre 1914 Tibet erleichterte, sich vollends für unabhängig zu erklären. Dordjew blieb noch einige Jahre lang, nämlich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als Diplomat in tibetischen und russischen Angelegenheiten aktiv. So handelte er zum Beispiel 1912 im Namen der tibetischen Regierung in Urga einen Beistandspakt zwischen Tibet und der Mongolei aus. Seine Hauptaufgabe für die nächsten Jahrzehnte sollte jedoch sein Engagement für das Dharma in Rußland werden. Russische Buddhismus-Politik bis 1917 Trotz der zunächst unterbrochenen politischen Beziehungen zwischen Rußland und Tibet blieb die zaristische Politik gegenüber dem Buddhismus bzw. den buddhistischen Völkern im Lande ausgesprochen wohlwollend. Russische Forscher hatten bei Expeditionen nach Tibet viele wertvolle Schriften mitgebracht; an den Orientalistik-Instituten von St. Petersburg, Wladiwostok und Kazan' waren Tibetisch- und Mongolisch-Abteilungen entstanden. Russische Buddhismus-Forscher wie Oldenbourg (1863-1934), Schtscherbatskoj (1866-1942), Rosenberg (1888-1919) und Röhrich (1874-1947) wurden über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Das "Toleranzedikt" von 1905 brachte den russischen Buddhisten - im Gegensatz zu praktizierenden anderer Religionen, zum Beispiel nicht-orthodoxer Christen - eine Reihe neuer Erleichterungen. Schließlich wurde es gar möglich, im St. Petersburger Vorort Novaja Derevnja einen buddhistischen Tempel im tibetischen Stil zu erbauen. Er wurde am 10. August 1915 feierlich eingeweiht. Zu den Fürsprechern dieses Projektes gehörte unter anderem der Dalai Lama, der in einem Brief an den Zaren dafür warb: Einerseits, so argumentierte er, habe es in St. Petersburg bereits seit seiner Gründung Kalmüken und Burjaten - also Buddhisten - gegeben, andererseits wäre es gewiß auch für das in der russischen Hauptstadt vertretenen Botschaftspersonal buddhistischer Länder wünschenswert, regelmäßig einen solchen Tempel aufsuchen zu können. Die russischorthodoxe Kirche übrigens leistete anfänglich heftigen Widerstand gegen den Tempelbau, nahm ihn aber schließlich hin. Im europäischen Rußland sowie im Baltikum entstanden einige buddhistische Gruppen. Nach der Oktoberrevolution von 1917 und dem darauffolgenden russischen Bürgerkrieg sollten sich die Bedingungen für die Buddhisten in Rußland innerhalb weniger Jahre drastisch ändern. Revolution in der Mongolei Die (von China aus so gesehene) "Äußere" Mongolei war seit 1691 Standort chinesischer Garnisonen gewesen, während die "Innere" Mongolei bereits feste Bindungen an das chinesische Reich hatte. Als im Jahre 1911 in Peking die Manchu-Dynastie nach einem Aufstand gestürzt und der letzte Kaiser abgesetzt wurde, nutzte die (nördliche) Mongolei die Gunst der Stunde und rief ihre Unabhängigkeit aus. Die verbliebenen chinesischen Truppen wurden vertrieben, wobei den Mongolen russische Waffenlieferungen und Militärberater hilfreich zur Seite standen. Die internationalen Wirren der folgenden Jahre führten schließlich zur Unabhängigkeit der Äußeren Mongolei (wenngleich als sowjetischer Satellitenstaat), während die "Innere Mongolei" bei China verblieb: 1919 wurde das ganze Land von chinesischen Truppen besetzt, die im Jahr darauf von einer bürgerlich-antirevolutionären Armee unter Baron von Ungern-Sternberg vertrieben wurden. Dessen Terrorregime wurde 1921 durch eine mit sowjetischer Unterstützung ausgeführte Revolution gestürzt. Für nächsten drei Jahre wurde eine konstitutionelle Monarchie installiert: Die Regierung war moskaufreundlich, formelles Staatsoberhaupt blieb der 8. Jetsün Dampa. Trotz seines rauhen menschlichen Umgangs und seines ausschweifenden Lebenswandels - er liebte nicht nur die Frauen, sondern auch den Tabak und den Alkohol - genoß er hohes Ansehen im mongolischen Volk. Solange er lebte, war an eine Beschneidung der Rechte buddhistischer Klöster nicht zu denken. Dabei bestand, gesellschaftlich gesehen, durchaus Reformbedarf: Schätzungsweise 20 % der damaligen Bevölkerung der Mongolei lebte zu dieser Zeit in Klöstern (einige Angaben nennen sogar die Zahl von bis zu 40 %!), darunter ein hoher Anteil an jungen Männern - in einem Land, das über so gut wie gar keine Rohstoffbasis oder moderne Wirtschaftsmethoden verfügte. In den Tempeln wurden sämtliche Rituale auf Tibetisch durchgeführt, nicht auf Mongolisch. Auch wenn es drastisch klingen mag: Man gewinnt den Eindruck, daß die Klöster zu einem nicht unerheblichen Teil auf Kosten der Bevölkerung lebten, ohne dabei einen Stil gefunden zu haben, der dem mongolischen Leben des beginnenden 20. Jahrhunderts entsprochen hätte. Der Jetsün Dampa Tulku starb 1924. Den inneren Zerfallserscheinungen des Dharma in der Mongolei folgte bald ein äußerer Niedergang tragischen Ausmaßes. Fortsetzung in der nächste Ausgabe Michael den Hoet ist gelernter Historiker, lebt im Buddhistischen Zentrum Hamburg und hat mehrere Reisen in Rußland gemacht. Er war mitbeteiligt an der Organisation der ersten Reisen von Lama Ole Nydahl und Hannah Nydahl nach Rußland, in den Jahren 1988 bis 1990. |
||
![]() |