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BUDDHISMUS HEUTE
Aus: Buddhismus Heute Nr. 21, ( 1996)

Die Übertragungslinie unserer Phowa-Praxis

Zusammengestellt von Detlev Göbel

Longchen Nyingthig
Das von Lama Ole Nydahl gelehrte Phowa stammt aus der Longchen-Nyingthig-Tradition der Nyingma-Schule des tibetischen Buddhismus. Das Longchen Nyingthig enthält die tiefgründigsten Lehren des Maha Ati, der "Großen Vollendung".

Maha Ati und Mahamudra gelten als die höchsten Belehrungen im Buddhismus. Es sind Mittel, die Erleuchtung in kürzester Zeit ermöglichen. Für Leute, deren Hauptstörgefühle Zorn und Stolz sind, wurde das Maha Ati gelehrt und für Leute mit starker Begierde das Mahamudra. Das Madhyamaka, ein langsamerer Studienweg mit einem eher intellektuellen Ansatz, lehrte Buddha für Leute mit Verwirrung als Hauptstörgefühl.

"Nyingthig", wörtlich etwa "Herztropfen", werden die innersten und tiefgründigsten Belehrungen im Maha Ati genannt. Je nach Übertragungslinie unterscheidet man zwischen verschiedenen Nyingthigs. Einige der bekanntesten darunter sind das Vima Nyingthig, das Khandro Nyingthig, das Karma Nyingthig und das Longchen Nyingthig.

Vima Nyingthig und Khandro Nyingthig gehen auf die Zeit zurück, als der Buddhismus nach Tibet kam. Die vom großen indischen Gelehrten Vimalamitra begründete Tradition wurde Vima Nyingthig genannt. Khandro Nyingthig bezeichnet hingegen die von Guru Rinpoche gelehrte Tradition. Beide wurden als Termas - versteckte Dharmaschätze - verborgen und später von Reinkarnationen der Schüler Guru Rinpoches wiederentdeckt.

Die Belehrungen des Longchen Nyingthig gab Guru Rinpoche im Kloster Samye an den tibetischen König Trisong Detsen, an Yeshe Tsogyal - Guru Rinpoches tibetische Hauptgefährtin - und an den großen Gelehrten Vairocana. Anschließend wurden sie als Termas versteckt. Diese Belehrungen sind die vereinigte Essenz des Vima Nyingthig und des Khandro Nyingthig.

Viele hundert Jahre später wurden sie von Jigme Lingpa, der als Wiedergeburt von sowohl dem König Trisong Detsen als auch von Vimalamitra galt, wiederentdeckt. Der Name "Longchen" hat verschiedene Gründe: Einer davon ist, daß Jigme Lingpa mehrere Visionen von Longchen Rabjam hatte und von ihm in dieser Weise Übertragungen erhielt, so daß er die vollständige Erfahrung des Dzogchen machte. Longchen Rabjam, ein Zeitgenosse des dritten Karmapa Rangjung Dorje, gilt als der größte Gelehrte der Nyingma-Tradition. Er war die Wiedergeburt der Prinzessin Pemasal, der Guru Rinpoche das Khandro Nyingthig gelehrt hatte.

Das Karma Nyingthig schließlich sind die von Karmapa Rangjung Dorje gehaltenen Maha-Ati-Belehrungen.

Dharmakaya: Samantabhadra (Tib.: Küntu Sangpo, Deutsch: Der All-Gute)
In der Nyingma-Tradition wird der Wahrheitszustand, der Dharmakaya, symbolisch in der Form des "Ur-Buddha" Küntu Sangpo dargestellt. Alle Dharma-Belehrungen gehen letztendlich auf den Wahrheitszustand, die volle Erkenntnis der wahren Natur der Wirklichkeit, zurück.

Sambhogakaya: Vajrasattva (Tib.: Dorje Sempa, Deutsch: Diamantgeist)
Aus dem formlosen Wahrheitszustand manifestieren sich spontan die beiden Form-Zustände, um den Wesen zu helfen. Der erste dieser beiden, der Freudenzustand oder Sambhogakaya, hat die Funktion, denjenigen Wesen zu helfen, die ihren Geist schon in hohem Maße gereinigt haben, den Bodhisattvas. Er wird in diesem Zusammenhang in der Nyingma-Tradition durch Diamantgeist repräsentiert.

Nirmanakaya: Prahevajra (Tib.: Garab Dorje)
Der Ausstrahlungszustand ist die Manifestation der Erleuchtung auf physischer Ebene, um auch den Wesen zu helfen, die noch keine Bodhisattvaebenen erreicht haben. Der erste menschliche Linienhalter des Dzogchen war der Nirmanakaya Garab Dorje, eine Ausstrahlung von Buddha Diamantgeist, der in Uddiyana, dem Land der Dakinis (im heutigen Pakistan), in eine königliche Familie geboren wurde. Schon als kleines Kind zeigte er viele besondere Zeichen, die deutlich machten, daß es sich nicht um einen gewöhnlichen Jungen handelte. Es heißt, er habe bereits im Alter von sieben Jahren 500 Gelehrte in der philosophischen Debatte besiegt - ohne überhaupt selbst studiert zu haben. Anschließend meditierte er bis zu seinem 32. Lebensjahr auf einem Berg in einer Grashütte. Dort empfing direkte Übertragungen von Diamantgeist und verwirklichte Buddhaschaft. Zusammen mit den Dakinis verbrachte er drei Jahre damit, diese Lehren aufzuzeichnen. Er meditierte und lehrte den Rest seines Lebens in Sitavana, einem berühmten alten Friedhof nordöstlich von Bodhgaya. Diese Leichenplätze waren im alten Indien kraftvolle Orte, bewohnt von Dakinis, Geistern und wilden Tieren - und Yogis, denen sie die Möglichkeit für Praxis ohne viel Störungen boten und sie tagtäglich an die Vergänglichkeit erinnerten. Hier traf Garab Dorje auf seinen Hauptschüler Manushrimitra.

Manjushrimitra (Tib.: Dschampel Shenyen)
Manjushrimitra, der einer Brahmanenfamilie entstammte und ein Gelehrter war, wurde von Manjushri in einer Vision prophezeit: "Wenn du in diesem Leben Erleuchtung erlangen willst, gehe nach Sitavana." Der Prophezeiung folgend, traf er dort Garab Dorje und studierte bei ihm 75 Jahre lang den Dharma. Nach dem Tod seines Lehrers kategorisierte er die erhaltenen Lehren und meditierte später den Texten zufolge 109 Jahre lang bei Sosadvipa, einem anderen Leichenplatz westlich von Bodhgaya. Die außergewöhnlich lange Lebensspanne, die ihm und manchen anderen Meistern aus dieser Zeit zugeschrieben wird, kann zwei Ursachen haben. Zum einen gab es die Tradition, sechs Monate als ein Jahr zu zählen. Anderereits hatten viele der großen Meister durch ihre Praxis die Langlebens-Verwirklichung erlangt.

Shri Singha (Tib.: Palgji Senge)
Shri Singha wurde in China geboren und war ein großer Gelehrter der weltlichen Wissenschaften. In einer Vision forderte ihn Liebevolle Augen auf, nach Sosadvipa zu gehen, um dort Erleuchtung zu erlangen. Als Vorbereitung studiert Shri Singha sieben Jahren lang verschiedene Tantras an dem heiligen Berg Wu T'ai Chan in China. Nach einer erneuten Vision von Liebevolle Augen, übte er drei Jahre lang eine Praxis, deren Resultate es ihm dann ermöglichten, in kürzester Zeit mittels Wunderkräften nach Sosadvipa in Indien zu reisen. Dort traf er Manjushrimitra, bei dem er 25 Jahre lang lernte und praktizierte. Nach dem Tod seines Meisters reiste er zurück nach China. Er kategorisierte dort die höchsten Belehrungen, die er erhalten hatte und meditierte lange an der Siljin-Begräbnisstätte.

Jnana Sutra (Tib.: Yeshe Do)
Jnana Sutra wurde in einer kastenlosen Familie in Ost-Indien geboren. Er lebte als einer von 500 Gelehrten in Bodhgaya. Als er dort einmal mit Vimalamitra, einem anderen Gelehrten, spazierenging, erschien ihnen Diamantgeist und forderte sie auf, nach China zu gehen, um Erleuchtung zu erlangen. Diamantgeist sagte beiden, daß sie 500 Leben lang Gelehrte gewesen seien, ohne Erleuchtung zu erlangen, und daß sie sie auch jetzt nicht erlangen würden, wenn sie so fortfahren würden. Vimalamitra ging sofort nach China, lernte dort bei Shri Singha und berichtete Jnana Sutra bei seiner Rückkehr von seinen Erlebnissen. Als Jnana Sutra dann selbst nach China reiste, traf auch er Shri Singha, lernte lange Zeit bei ihm und meditierte anschließend 16 Jahre lang auf das Gelernte. Später kehrte er nach Indien zurück. Er hatte im Gegensatz zu Vimalamitra die volle Übertragung von Shri Singha erhalten und gab diese an Vimalamitra weiter.

Vimalamitra (Tib.: Drime Shenyen)
Vimalamitra wurde in einer Haushälter-Familie in West-Indien geboren. In einer Vision, während eines Spazierganges bei Bodhgaya, forderte Diamantgeist ihn und Jnana Sutra auf, nach China zu gehen, um Erleuchtung zu erlangen. Vimalamitra reiste nach China, wo er bei Shri Singha 20 Jahre lang Dharma lernte und kehrte dann nach Indien zurück. Er berichtete Jnana Sutra von seinen Erlebnissen und wurde später dessen Schüler, da Jnana Sutra, der mittlerweile auch nach China gereist war, von Shri Singha tiefgründigere Übertragungen erhalten hatte. Nachdem sein Lehrer Shri Singha gestorben war, war Vimalamitra 20 Jahre lang Lehrer eines indischen Königs und praktizierte später sieben Jahre lang auf einem Leichenplatz.

Der tibetische König Trisong Detsen, der das Dharma in Tibet etablieren wollte, lud ihn nach Tibet ein. Er folgte dieser Einladung und war zusammen mit Guru Rinpoche und Vairochana maßgeblich an der Etablierung des Dharma in Tibet beteiligt. Die von ihm nach Tibet gebrachten essentiellsten Lehren werden dementsprechend Vima Nyingthig genannt. Nach 13 Jahren in Tibet ging Vimalamitra nach China zum Berg Wu T'ai Chan, wo er den "Regenbogenkörper der großen Verwandlung" verwirklichte. Es heißt, daß er noch immer, in für gewöhnliche Wesen nicht erkennbarer Form, dort lebt und solange Ausstrahlungen schicken wird, wie es Buddhismus in der Welt gibt.

Pema Jungne Guru Rinpoche (Skt.: Padmasambhava)
Guru Rinpoche, eine Ausstrahlung von Buddha Amitabha, erschien in Übereinstimmung mit mehreren Prophezeiungen des historischen Buddha Skayamuni in Uddiyana, dem heutigen Pakistan. Es heißt, daß jeder der 1000 Buddhas unseres Zeitalters, als ein natürlicher Ausdruck ihrer befreienden Lehre, von einem Guru Rinpoche begleitet wird. Guru Rinpoche hat vor allem die Diamantwegsbelehrungen zum Blühen gebracht, und wird in der von ihm begründeten Nyingma-Linie des tibetischen Buddhismus als zweiter Buddha gesehen. Es ist vor allen Dingen seiner Aktivität zu verdanken, daß der Dharma in Tibet fest etabliert wurde. Guru Rinpoche hielt sich ab dem Jahr 810 mehr als 55 Jahren in Tibet auf.

Trisong Detsen (790 - 858)
Der tibetische König Trisong Detsen lud den Gelehrten Shantarakshita nach Tibet ein, um mit seiner Hilfe das erste tibetische Kloster zu errichten. Shantarakshita wurde jedoch der Störungen dieses Projektes durch Geister und Dämonen nicht Herr und empfahl dem König, den indischen Meister Padmasambhava einzuladen. Trisong Detsen folgte diesem Rat und mit Padmasambhavas Hilfe konnte das Kloster Samye fertiggestellt werden. Trisong Detsen lud viele indische Gelehrte nach Tibet ein, ließ Übersetzer ausbilden und förderte die Übersetzung aller wichtigen Texte ins Tibetische. König Trisong Detsen war ein Schüler von Padmasambhava.

Yeshe Tsogyal
Yeshe Tsogyal ist berühmt als eine der hingebungsvollsten Yoginis Tibets und gilt als Ausstrahlung von Dorje Phagmo, Tara und anderen Buddha-Aspekten. Als junge Frau wurde sie eine der Frauen des Königs von Tibet, Trisong Detsen. Dieser "schenkte" sie seinem Lehrer Padmasambhava als Dharma-Opferung für eine Ermächtigung. Fortan war sie Gefährtin und Hauptschülerin Guru Rinpoches. Sie erhielt fast alle Belehrungen, die Guru Rinpoche in Tibet gab und erlangte durch deren Praxis höchste Verwirklichung. Zusammen mit Guru Rinpoche versteckte sie überall in Tibet und anderen Stellen seine Lehren als Termas (verborgene Dharma-Texte, die später von Guru Rinpoches Schülern wieder aufgefunden wurden).

Nyang Tingdsin Sangpo
Nyang Tingdsin Sangpo war als Kind ein Spielgefährte des tibetischen Königs Trisong Detsen. Von ihm hieß es später, daß er fähig war, sieben Jahre lang regungslos in Meditation zu sitzen. Er bewegte den König dazu, den Meister Vimalamitra nach Tibet einzuladen. Nyang Tingdsin Sangpo war ein Schüler von Vimalamitra und Guru Rinpoche und erhielt von beiden die höchsten Übertragungen. Später zähmte er den Dämon Dorje Legpa, der Ost-Tibet durch Hagelstürme verwüstet hatte. Dorje Legpa wurde so zu einem Dharmaschützer.

Dangma Lhüngyel Gyeltsen
Dangma Lhüngyel Gyeltsen galt als Ausstrahlung von Vimalamitra. Er hatte eine Vision von Dorje Legpa aufgrund derer er von Nyang Tingdsin Sangpo versteckte Dharma-Belehrungen fand und verwirklichte. 15 Jahre nach dem Auffinden der Belehrungen machte er sich auf die Suche nach einem geeigneten Schüler, dem er seine Erfahrung weitergeben könne und traf diesen in der Person von Senge Wangtschug.

Jetsün Senge Wangtschug
Senge Wangtschug war schon als Jugendlicher sehr gelehrt im Dharma und erhielt später Übertragungen von Dangma Lhüngyel Gyeltsen. Inspiriert durch eine Vision von Vimalamitra löste er sich durch sieben Jahre Meditation von jeglicher Körper-Anhaftung und erlangte im Alter von 125 Jahren den "Regenbogenkörper der großen Verwandlung". Er wurde später - im 19. Jahrhundert - als der berühmte Jamyang Khyentse Wangpo wiedergeboren.

Gyelwa Shangtön (1097 - 1167)
Shangtön studierte schon als Jugendlicher intensiv den Dharma. Er hatte Visionen von Liebevolle Augen, Befreierin und anderen Buddha-Aspekten. Insbesondere Dorje Legpa erschien ihm mehrfach und forderte ihn auf, mit ihm zu kommen, um Erleuchtung zu erlangen. Dorje Legpa schützte ihn in mehreren gefährlichen Situationen.

Bei Chimphu entdeckte er verschiedene Dharmaschätze von Vimalamitra, der ihm auch in Visionen erschien. Von Jetsün Senge Wangtschug empfing er vollständige Übertragung der höchsten Lehren. Als ein Zeichen seiner Realisation warf sein Körper keinerlei Schatten mehr.

Khepa Nyibum (1158 - 1213)
Khepa Nyibum war der leibliche Sohn von Gyelwa Shangtön. Bereits ab dem Alter von fünf Jahren empfing er Ermächtigungen und Anweisungen von seinem Vater und meisterte sie. Bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr beschäftigte er sich ausschließlich mit Dharma-Praxis und studierte später bei verschiedenen Lehrern viele Sutras und Tantras. Bei seinem Tod traten viele Wunderzeichen auf.

Guru Tschober (1196 - 1231)
Guru Tschober war der Sohn des jüngeren Bruder von Khepa Nyibum. Bis zu seinem siebten Lebensjahr schien er ein äußerst dummes Kind zu sein. Dann jedoch zeigte er plötzlich hohe unterscheidende Weisheit. Er lebte bis zu seinem 18. Lebensjahr bei seinem Onkel Khepa Nyibum und empfing dessen vollständige Übertragungen. Später lernte er bei vielen Lehrer - unter anderen auch bei dem berühmten Sakya Pandita - und wurde bekannt für seinen scharfen Intellekt und seine große Gelehrsamkeit. Es heißt, daß er von jedem Buddha-Aspekt auf den er meditierte, eine Vision hatte.

Trülshik Senge Gyalpa

Senge Gyalpa zeigte schon als Kind besondere Zeichen und erkannte im Alter von zehn Jahren die Traumhaftigkeit der Phänomene. Er war berühmt für sein großes Mitgefühl. Mit 18 Jahren zeigte er das Verhalten eines "verrückten Yogi", wurde dann jedoch mit zwanzig Jahren zum Novizen ordiniert. Durch die Belehrungen von Guru Tschober erlangte er höchste Realisation und praktizierte viele Jahre in einsamen Höhlen.

Melong Dorje (1243 - 1303)
Melong Dorje wurde als Sohn eines Yogi geboren und rezitierte als Jugendlicher sehr oft die Prajnaparamita-Texte. Dadurch erlangte er Verständnis der absoluten Wahrheit und machte starke Erfahrungen in seiner Meditationspraxis. Er machte unter härtesten Bedingungen verschiedene Pilgerreisen und traf mit 18 Jahren Trülshik Senge Gyalpa, dessen Schüler er wurde. Schon während der "Vorbereitenden Übungen" hatte er eine sechs volle Tage anhaltende Vision von Diamantgeist und erhielt im Traum Segen von den Gurus der Linie. Melong Dorje hatte viele Visionen von Buddha-Aspekten und studierte bei vielen Lehrern, unter anderem auch bei Towarepa in Tsurphu. Er war ein Zeitgenosse des Kagyü-Meisters Orgyenpa, bei dem er zehn Jahre lang lernte. (Orgyenpa war der Wurzellama des dritten Karmapa Rangjung Dorje.)

Kumaraja (1266 - 1343)
Kumaraja hatte schon als Kind viele besondere Qualitäten und lernte bei vielen großen Lehrern. In Tsurphu empfing er auch die Kagyü-Übertragungen. Später traf er den Meister Orgyenpa und den zu der Zeit erst sieben Jahre alten dritten Karmapa Rangjung Dorje. Sein Hauptlehrer jedoch wurde Melong Dorje, von dem er viele Übertragungen erhielt. Da er nichts hatte, was er seinem Lehrer hätte opfern können, arbeitete er acht Jahre lang hart für ihn, indem er für ihn malte und Bücher kopierte.

Später, nach dem Tod Melong Dorjes, lud ihn der dritte Karmapa nach Tsurphu ein, und Kumaraja gab Karmapa die Maha-Ati-Übertragungen. So wurde der dritte Karmapa ein Maha-Ati-Linienhalter, bis Kumaraja die Übertragung später auch an Longtschen Rabjam gab. Karmapa hatte die Übertragungen in der Tat schon in einer Vision von Vimalamitra selbst erhalten, zeigte sich jedoch als Schüler von Kumaraja, um seinen eigenen Schülern ein Beispiel dafür zu zeigen, wie man einem Diamantwegslehrer folgen soll. In der gleichen Weise erhielt er visionäre Übertragungen von Guru Rinpoche, lud jedoch trotzdem den Meister Gyalse Legpa ein, um von ihm diese Übertragungen auch "offiziell" zu bekommen. Die besondere von Karmapa gehaltene Übertragung wurde Karma Nyingthig genannt, "Herz-Essenz Karmapas". Seit dieser Zeit sind die Maha-Ati-Belehrungen Teil der Kagyü-Übertragung. Später praktizierte Kumaraja erst lange Zeit unter härtesten Bedingungen in der Einsamkeit und arbeitet dann zum Wohle vieler Wesen.

Longtschen Rabjam (1308 - 1363)
Longchenpa ging als der größte Gelehrte der Nyingma-Linie und einer der größten Gelehrten Tibets in die Geschichte ein. Wie auch der dritte Karmapa, trug er den Titel "Künkhyen" - Allwissender.

Bereits als Kind studierte er umfassend den Dharma, trat mit 19 Jahren in die berühmte Shedra Sangpu ein und erreichte dort hohe Gelehrsamkeit. Longchenpa zog es jedoch zur Praxis in der Einsamkeit der Berge. Abscheu über das negative Verhalten einiger Gelehrten bestärkte ihn in diesem Wunsch und er zog fort. Später traf er Kumaraja, der mit seinen Schülern unter härtesten Bedingungen von Tal zu Tal zog. Zwei Jahre lang begleitete ihn Longchen Rabjam und erhielt in dieser Zeit alle Übertragungen von Kumaraja. Nach einem mehrjährigen Retreat zog er mehr und mehr Schüler an, obwohl er fast sein ganzes Leben in den Berghöhlen verbrachte. Er verfaßte 250 Dharma-Werke.

Jigme Lingpa (1729 - 1798)
Jigme Lingpa ist einer der größten und bis heute wichtigsten Lehrer der Dzogchen-Linie. Er empfing in drei Visionen Übertragungen von Longchen Rabjam und verwirklichte dessen Lehren, die unter dem Namen Longchen Nyingthig später in ganz Tibet berühmt werden sollten. Zunächst hielt er sie jedoch sieben Jahre lang geheim, da die Zeit noch nicht reif dafür war, sie zu lehren. Zudem ist es wichtig, daß ein Tertön die gefundenen Belehrungen erst selbst praktiziert, bevor er sie an andere lehrt. Jigme Lingpa hatte viele große Schüler: Sein Haupt-Linienhalter wurde der erste Dodrupchen Rinpoche, Jigme Trinle Özer. Unter Jigme Lingpa Wiedergeburten finden sich so berühmte Lamas wie Do Khyentse Yeshe Dorje (seine Geist-Ausstrahlung), Patrul Rinpoche (Jigme Lingpas Rede- Ausstrahlung) und Jamyang Khyentse Wangpo (seine Körper- Ausstrahlung).

Jigme Gyalwe Nyugu (1765 - 1843)
Jigme Gyalwa Nyugu war einer der Hauptschüler Jigme Lingpas und auch Schüler von Jigme Lingpas Hauptlinienhalter, dem ersten Dodrupchen Rinpoche. Er praktizierte zuerst viele Jahre in Kham und verbrachte dann lange Zeit mit seinem Lehrer Jigme Lingpa in Zentraltibet. Nachdem er Erkenntnis erlangt hatte, ging er auf Geheiß seines Lehrers zurück nach Kham und praktizierte dort unter härtesten Bedingungen 21 Jahre lang auf einem einsamen Berg. Als er dann wieder ersten Kontakt zu Menschen hatte, verbreitete sich sein Ruf schnell und bald lebten einige hundert Yogis in Zelten bei ihm und folgten ihm als Schüler. Er wurde einer der Hauptlehrer Patrul Rinpoches, der von ihm 25 mal die Belehrungen über die Vorbereitenden Übungen des Longchen Nyingthig erhielt und diese niederschrieb. Das so entstandene Werk Künsang Lame Shalung (in Englisch erschienen unter dem Titel "The Words of my perfect Teacher") ist heute eines der Standardwerke in der Nyingma-Linie, aus dem auch viele Kagyü-Lehrer gerne zitieren.

Zusammen mit dem ersten Dodrupchen Rinpoche war Jigme Gyalwe Nyugu maßgeblich an der weiten Verbreitung des Longchen Nyingthig in ganz Tibet - vor allem aber Osttibet - beteiligt.

Jamyang Khyentse Wangpo (1820 - 1892)
Jamyang Khyentse Wangpo war einer der größten Lamas des letzten Jahrhunderts, einer der wichtigsten Tertöns (der sogenannten "Fünf Tertön-Könige") und galt als Körper-Ausstrahlung von Jigme Lingpa. Im Alter von 19 Jahren bekam er von Jigme Gyalwe Nyugu die Longchen- Nyingthig-Übertragung. Er und Patrul Rinpoche waren die Hauptschüler von Jigme Gyalwe Nyugu.

Im Verlaufe von etwa 13 Jahren erhielt er später von ungefähr 150 Lamas die Belehrungen aller in Tibet vertretenen Dharma-Linien; er studierte in dieser Zeit 700 Werke. Dilgo Khyentse - der als eine seiner Wiedergeburten galt - sagte, daß Jamyang Khyentse Wangpos Hauptpraxis die ganze Zeit über Guru-Yoga war. In der Autobiographie von Jamyang Khyentse Wangpo heißt es, daß er während seiner Ngöndro-Praxis die wahre Natur seines Geistes erkannte.

Jamyang Khyentse Wangpo war maßgeblich an der Entwicklung der nicht-sektierischen Rime-Bewegung beteiligt, da zu dieser Zeit viele Linien und Praktiken vom Aussterben bedroht waren. Die Idee des Rime war es, einen Weg bis zur Meisterschaft zu praktizieren und die Belehrungen anderer Schulen so gut zu kennen, daß man allen Schülern die zu ihnen passenden Belehrungen geben konnte.

Ösel Natsog Rangdröl (1842 - 1924)
Ösel Natsog Rangdröl ist sonst eher unter dem Namen Adzom Drukpa bekannt. Er führte diesen Namen, da er als Wiedergeburt des großen Drukpa-Kagyü-Lehrers Pema Karpo aus dem 16. Jahrhundert galt. Ösel Natsog Rangdröl erkannte im Alter von 21 Jahren - während er die Vorbereitenden Übungen, Ngöndro, praktizierte - die Natur seines Geistes und führte auf Anraten eines seiner Lehrer, Pema Düdül, das Leben und die äußere Erscheinung eines Yogi. Er erhielt die Longchen-Nyingthig- Übertragung von Jamyang Khyentse Wangpo. Im späteren Teil seines Lebens unterrichtete er all die großen Lamas der Nyingma-Klöster Kathok, Dzogchen, Palyül und Shechen. Er gab die Longchen-Nyingthig-Übertragung an Jamyang Tschökyi Lodrö, die Wiedergeburt seines verstorbenen Lehrers Jamyang Khyentse Wangpo.

Jigme Tenpe Nyima (1865 - 1926)
Jigme Tenpe Nyima war der dritte Dodrupchen Rinpoche, eine Wiedergeburt des Haupt-Linienhalters von Jigme Lingpa. Er erhielt viel Belehrungen von Patrul Rinpoche, zu dem er eine sehr innige Beziehung hatte. Als Tenpe Nyima erst acht Jahre alt war, lud Patrul Rinpoche einmal alle Leute der Gegend ein, damit Jigme Tenpe Nyima ihnen Belehrungen über das Bodhicarayavatara ("Eintritt in den Bodhisattvaweg" von Shantideva) geben konnte. Von Jamyang Khyentse Wangpo erhielt er später die Übertragung des Longchen Nyingthig.

Jamyang Tschökyi Lodrö (1893 - 1959)
Jamyang Tschökyi Lodrö, die Aktivitäts-Inkarnation von Jamyang Khyentse Wangpo, gilt als einer der größten Dharmameister dieses Jahrhunderts. Er erhielt bereits als Kind die Longchen-Nyingthig-Übertragung von Adzom Drukpa und übernahm als Fünfzehnjähriger die Leitung des Klosters Dzongsar, dem Sitz seines Vorgängers Jamyang Khyentse Wangpo. 1956 reiste er über Lhasa nach Indien, besuchte viele heilige Stellen in Indien und Nepal und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Sikkim.

Khyentse Do Ngag Lingpa (1910 - 1991)
Khyentse Do Ngag Lingpa ist sonst eher unter dem Namen Dilgo Khyentse Rinpoche Tashi Paljor bekannt und gilt ebenso wie Jamyang Tschökyi Lodrö als Wiedergeburt von Jamyang Khyentse Wangpo.

Er erhielt als Jugendlicher die Longchen-Nyingthig-Übertragung und -Erklärungen von verschiedenen Lehrern, vor allem von Jamyang Tschökyi Lodrö und Adzom Drukpa und begann als 18-jähriger eine 12-Jahres-Zurückziehung. Auf Einladung des bhutanesischen Königshauses hielt er sich später viele Jahre in Bhutan auf. Er baute ein großes Kloster bei der Bodhnath-Stupa in Kathmandu. Ab Mitte der 70er-Jahre besuchte er zunehmend westliche Länder; so errichtete er auch ein Dharmazentrum in Südfrankreich, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Karmapas Zentrum Dhagpo Kagyü Ling. Im September 1991 starb er in Bhutan.

Lama Ole Nydahl

Während der großen "Dölma Naljorma" Einweihung in Rumtek im Jahre 1971, führte der 16. Karmapa mehrmals Hannah und Ole Nydahl und den Drikung Lama Ayang Tulku zusammen. Er sagte, daß eine Zusammenarbeit sehr nützlich werden würde, so lange wie es in seinem Kraftfeld geschehe. Hannah und Ole Nydahl wollten seine Arbeit für die Kagyüs in den geheimgehaltenen tibetischen Flüchtlingslagern in Südindien unterstützen, und er lud sie dankbar ein.

Anfang 72 hatten sie dann Zeit und lernten - vor allen indischen Polizeiaugen verborgen - als erste Westler eine höchst wirksame Meditation für das bewußte Sterben - "Phowa" genannt - deren Halter Ayang Tulku war. In den Wochen danach gab es viel Übung, denn eine Tuberkolose-Welle suchte die Lager heim, und viele Menschen starben. Hannah und Ole Nydahl zogen durch die Siedlungen, und wenn die Einweihungen und Erklärungen gegeben worden waren, reisten Hannah und der Rinpoche weiter, während Lama Ole blieb, bis die Leute die Zeichen für den Erfolg der Praxis hatten. So bereiteten sie vier bis fünf große Gruppen vor.

1978 luden sie im Gegenzug Ayang Tulku in ihre damals noch kleinen westlichen Zentren ein. Zum ersten europäischen Phowa-Kurs in Kopenhagen kamen beispielsweise nur ganze 40 Mann. Ayang Tulku hatte soeben drei Jahre Arbeit in der tibetischen Exilregierung in Dharamsala hinter sich, was ihn etwas geprägt hatte. Hannah und er gaben Kurse in Mitteleuropa, während Lama Ole in Südafrika lehrte.

1980 kam Ayang Tulku wieder in dem Westen. Er arbeitete jetzt unabhängiger, aber noch überwiegend im Sinne des 16. Karmapas. In 1983 kehrte er sich dafür stark gegen Künzig Shamarpa und die Stellung eines künftigen 17. Karmapa in der tibetischen Politik. So wurde es unmöglich, seine Übertragung weiter zu lehren und viele hörten mit dem Phowa auf.

Über die nächsten Jahre baten jedoch immer mehr von Lama Oles Schülern um diese so zeitgemäße Übung. Auch Künzig Shamarpa sagte, er solle sie an alle weitergeben, die sie wünschten. Der Ehrwürdige Tenga Rinpoche gab noch am letzten Tag vor einer Fahrt in den Osten die Übertragung in einer geänderten Form an Lama Ole weiter: Ohne Reinigungsmantras und mit dem Text vorangestellten Wünschen an die Kagyülinie.

Im Herbst 1987 lehrte Lama Ole Nydahl das Phowa zum ersten Mal in Graz/Östereich an 130 Freunde. Damals dauerte es sieben Tage bis alle die äußeren Zeichen dieser Übung erreicht hatten, während mittlerweile nur noch drei oder zwei Tage nötig sind. Schon beim ersten Vorsingen des Textes haben oft ein Drittel bis die Hälfte der Leute starke Erfahrungen, und man kann wirklich sagen daß das Phowa-Kraftfeld - schon 1971 von Karmapa gewollt und in die Wege geleitet - im Westen mächtig wächst.

Inzwischen gibt Lama Ole jährlich um die 13 Phowa-Kurse, etwas über 100 bis jetzt, und um die Welt wachsen die Gruppen. Über 22000 - also mehr als ein mittlerer Dorf - haben bis jetzt (Herbst 1996) schon das "Bewußte Sterben" gelernt, und 1996 kamen schon zu drei Kursen jeweils mehr als 1100 Teilnehmer.
(Ausführlichere Erklärungen zur Bedeutung des Phowa und des Hintergrundes dieser Praxis können in der letzten Kagyü Life - Nr. 20, Seiten 14ff - nachgelesen werden.)

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